Rz. 33

[Autor/Stand] Durchleitungsstruktur bzw. fehlende Nutzungsberechtigung als (neues) Indiz. Im Lichte der in den Danish Cases vorgelegten Fälle hat der EuGH das Kriterium der Durchleitungsstruktur bzw. -einheit als ein neues (und neben die bisher bekannten Umstände tretendes) Indiz für eine künstliche Gestaltung und damit für einen Missbrauch aufgezeigt.[2] Hierzu dürften den EuGH die (von ihm auch inhaltlich zitierten) Aussagen in Rz. 12.1 OECD-MK 2017 zu Art. 10 inspiriert haben, wonach der Begriff des Nutzungsberechtigten im Lichte des Ziels der Missbrauchsvermeidung auszulegen und diesem daher auch ein Element der Missbrauchsvermeidung immanent ist (s.a. Rz. 57 zur Nutzungsberechtigung i.S.d. Art. 1 ZLR).[3] Schließlich knüpft der EuGH für den Begriff der Durchleitungsgesellschaft und der Nutzungsberechtigung auch ausdrücklich an denjenigen des OECD-MK an.[4] Zum Verständnis der Ausführungen des EuGH ist es hilfreich, diese vor dem Hintergrund der konkret vorgelegten Sachverhalte zu interpretieren:

  • Die in der Rs. N Luxembourg u.a.[5] vorgelegten Fälle waren dadurch geprägt, dass zwischen den einzelnen Konzerngesellschaften (Gesellschafter-)Darlehen gewährt wurden und die abzugsteuerpflichtigen Zinsen, deren Entlastungsberechtigung streitig war, in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit deren Erzielung in Form von steuerlich abzugsfähigen Zinszahlungen ohne Steuerbelastung in der Konzernkette nach oben weitergereicht wurden. Dabei waren die Finanzierungsbeziehungen derart ausgestaltet, dass die von einer Konzerngesellschaft jeweils erhaltenen Zinsbeträge der Höhe nach den Zinsbeträgen entsprachen, die diese Konzerngesellschaft einer anderen Konzerngesellschaft schuldete. Zugleich übten die einzelnen Konzerngesellschaften im Übrigen keine Tätigkeit aus. Aus beidem ergab sich, dass die Konzerngesellschaften keinen oder nur einen unerheblichen steuerlichen Gewinn erwirtschafteten. Die Finanzierungsbeziehungen und Tätigkeitsstrukturen der Konzerngesellschaften waren somit derart ausgestaltet, dass von vornherein objektiv erkennbar und vorhersehbar war, dass die einzelnen Konzerngesellschaften die jeweils erhaltenen Zinsen nur zur Tilgung ihrer Verbindlichkeiten werden einsetzen können und im Übrigen keinen anderen erkennbaren Zweck verfolgten.[6]
  • Die in den Rs. T Danmark u.a.[7] vorgelegten Fälle waren dadurch geprägt, dass die abzugsteuerpflichtigen Dividenden, deren Entlastungsberechtigung streitig war, in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit ihrer Erzielung durch die jeweilige Konzerngesellschaft nach einem zuvor gefassten Plan vollständig wiederum als Dividende oder als Tilgung von Darlehen durch die Konzernkette nach oben weitergereicht wurden.[8] Weiteres zu berücksichtigendes Charakteristikum der Rs. C-117/16[9] war, dass zur Nutzung der Vorteile des sog. American Jobs Creation Act 2004 Gewinne aus einer dänischen operativen Gesellschaft (Y DNK) in die USA-Konzernmutter repatriiert werden sollten. Hierfür gründete die auf den Bermudas ansässige konzernangehörige Y BMU, die die Anteile an der Y DNK hielt, kurz vor den Gewinnausschüttungen die auf Zypern ansässige Y CYP (EU) und übertrug dieser die Anteile an der Y DNK. Die Y CYP übte keine Tätigkeit aus und wurde mangels Gewinn nicht besteuert.

Vor dem Hintergrund dieser Sachverhalte zeigte der EuGH auf, dass als Indiz für eine künstliche Gestaltung herangezogen werden könne, dass die die Dividenden (oder Zinsen) erzielende Gesellschaft nur eine "Durchleitungseinheit" ("conduit company") darstellt.[10] Unter einer solchen Durchleitungseinheit versteht der EuGH eine Gesellschaft, die zwischen eine Gesellschaft, die Dividenden ausschüttet, und den Nutzungsberechtigten dieser Dividenden ("beneficial owner"), geschaltet wird.[11] Daraus ergibt sich, dass das Bestehen einer Durchleitungseinheit – wie auch der EuGH bemerkt[12] – gleichzusetzen ist mit dem Fehlen der Nutzungsberechtigung an den Dividenden. Durchleitungsgesellschaften sind also Einheiten, denen zwar Einkünfte formal zufließen, die jedoch nicht Nutzungsberechtigte dieser Einkünfte sind. Der EuGH sieht also in dem Fehlen der Nutzungsberechtigung ein Indiz für eine künstliche Gestaltung und greift damit auf bereits bekannte Konzepte zurück, die dem (jedenfalls wirtschaftlichen) Begriff des Nutzungsberechtigten einen Missbrauchsvermeidungszweck zusprechen[13], wie es etwa auch in Rz. 12.1 OECD-MK 2017 zu Art. 10 zum Ausdruck kommt. Daraus folgt aber zugleich, dass ein Missbrauch nicht auf einen "Durchleitungscharakter" i.S.d. Danish Cases gestützt werden kann, wenn die die Dividenden erzielende Gesellschaft Nutzungsberechtigte dieser Dividenden ist. Mit anderen Worten: Ein Missbrauch ist nach der Rechtsprechung in den Danish Cases nur indiziert, wenn die die Dividenden erzielende Gesellschaft nicht Nutzungsberechtigte dieser Dividenden ist und daher nur als Durchleitungsgesellschaft für den wahren Nutzungsberechtigten fungiert. Das letztlich maßgebende Merkmal ist damit das Fehlen der Nutzun...

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