Rz. 116

[Autor/Stand] Beschränkung. Die Regelung des § 50d Abs. 3 EStG stellt auch eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit dar, sofern der grenzüberschreitende Kapitalverkehr gegenüber einem vergleichbaren rein innerstaatlichen Kapitalverkehr steuerlich ungünstiger behandelt wird.[2] Vgl. ausf. Rz. 89 ff.

 

Rz. 117

[Autor/Stand] Rechtfertigung. Auch die Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit kann nach allgemeinen Grundsätzen gerechtfertigt werden. Im Kontext des § 50d Abs. 3 EStG kommt das Ziel der Missbrauchsvermeidung in Betracht. Insoweit ist der Missbrauchsbegriff auch im Bereich der Kapitalverkehrsfreiheit grundsätzlich derselbe wie im Bereich der übrigen Grundfreiheiten, angesichts des von der Niederlassungsfreiheit abweichenden Zwecks der Kapitalverkehrsfreiheit ist aber im Rahmen des objektiven Elements des Missbrauchsbegriffs (Zweckverfehlung) und im Rahmen der Beurteilung der Künstlichkeit einer Gestaltung der inhaltliche Maßstab zur Feststellung eines Missbrauchs ein anderer (vgl. Rz. 30, 31.2).[4] Es ist ferner zu beachten, dass – wie in der Rs. X[5] jüngst wieder bestätigt wurde – im Rahmen der Verhältnismäßigkeitskontrolle im Drittstaatenfall weniger hohe Anforderungen an die Rechtfertigung gestellt werden können, insbesondere im Hinblick auf einen fehlenden Informationsaustausch. Dies liegt daran, dass der (unionsrechtliche) "Rechtsrahmen" bei Kapitalverkehr mit Drittstaaten ein anderer ist (insb. fehlende Anwendbarkeit der Amthilfe-RL).[6] Der Gesetzgeber hat allerdings ausweislich der Gesetzesbegründung bewusst auf die Möglichkeit einer abweichenden Ausgestaltung des § 50d Abs. 3 EStG im Verhältnis zu Drittstaaten verzichtet und ihn im Interesse einer möglichst einfachen Handhabung für EU- und Drittstaatenfälle einheitlich ausgestaltet. Das wird man im Rahmen der Auslegung zu berücksichtigen haben. Die ggf. gelockerten unionsrechtlichen Vorgaben wirken sich aber dergestalt aus, dass, sofern diese eingehalten werden, die Anwendung des § 50d Abs. 3 EStG im Verhältnis zu Drittstaaten nicht gegen die mit Anwendungsvorrang ausgestatteten Grundfreiheiten verstößt.

[Autor/Stand] Autor: Erdem, Stand: 01.05.2022
[2] Vgl. nur EuGH v. 13.11.2019 – C-641/17, ECLI:EU:C:2019:960 Rz. 48 ff. – College Pension Plan of British Columbia.
[Autor/Stand] Autor: Erdem, Stand: 01.05.2022
[4] EuGH v. 26.2.2019 – C-135/17, ECLI:EU:C:2019:136 Rz. 83 f. – X.
[5] EuGH v. 26.2.2019 – C-135/17, ECLI:EU:C:2019:136 Rz. 89 ff. – X.
[6] S. grundlegend EuGH v. 18.12.2007 – C-101/05, ECLI:EU:C:2007:804 Rz. 60 ff. – A.

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