Leitsatz

Nach § 1 Abs. 2 GrEStG unterliegen der Grunderwerbsteuer auch solche Rechtsvorgänge, die es dem Erwerber ermöglichen, sich den Wert des Grundstücks für eigene Rechnung nutzbar zu machen. Einwirkungsmöglichkeiten eines Gesellschafters auf Gesellschaftsebene ohne konkreten Grundstücksbezug reichen dafür nicht aus.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 2 GrEStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine nach dem ersten Weltkrieg zur Erhebung von Zuschlägen auf den Kohlepreis zwecks Errichtung und Verwaltung von Wohnungen für Bergleute gegründete Gesellschaft. Sie erwarb aus den Zuschlägen Grundstücke im eigenen Namen. Das durch die Zuschläge geschaffene Vermögen war nach dem BergSiedlG Eigentum des Reichs und sollte von Treuhandstellen, zu denen auch die Klägerin gehörte, verwaltet werden. Nach 1945 wurden die Gesellschaftsanteile an der Klägerin auf deren frühere Gesellschafter zurückübertragen. Die Klägerin verwaltete ab 1973 das Bergmannssiedlungsvermögen als Treuhänderin des Bundes. Sie erwarb und veräußerte seit ihrem Bestehen Grundstücke des Bergmannssiedlungsvermögens und war und ist als Eigentümerin der jeweiligen Grundstücke im Grundbuch eingetragen.

Zwischen der Klägerin und dem Bund bestand Uneinigkeit darüber, ob und in welchem Umfang das Bergmannssiedlungsvermögen Eigentum des Bundes sei. Mit Vertrag vom 14.6.2007 vereinbarten die Klägerin und der Bund, dass dieser gegen eine Abfindung auf etwaige gegenwärtige oder zukünftige Ansprüche auf das Bergmannssiedlungsvermögen verzichtet.

Das FA stellte mit einem Feststellungsbescheid nach § 17 GrEStG fest, dass Grunderwerbsteuer auf die gezahlte Abfindung zu erheben sei. Der Bund habe der Klägerin durch den Verzicht auf seinen Herausgabeanspruch die Verwertungsbefugnis am Bergmannssiedlungsvermögen verschafft. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg, weil nach Auffassung des FG vor dem Vergleichsabschluss kein Treuhandverhältnis hinsichtlich der im Eigentum der Klägerin stehenden Grundstücke bestand (FG Düsseldorf, Urteil vom 25.5.2011, 7 K 2832/10 GE).

 

Entscheidung

Dem ist der BFH gefolgt und hat die Revision des FA zurückgewiesen. Weder die Regelungen des BergSiedlG und des Gesellschaftsvertrags der Klägerin noch der zwischen der Klägerin und dem Bund geschlossene Vergleich haben ein Treuhandverhältnis hinsichtlich der im Eigentum der Klägerin stehenden Grundstücke begründet.

 

Hinweis

Nach § 1 Abs. 2 GrEStG unterliegt der Erwerb der Verwertungsbefugnis an einem Grundstück der GrESt. Die Vorschrift erfasst Rechtsvorgänge unterhalb der Ebene eines nach § 1 Abs. 1 GrEStG steuerbaren Eigentümerwechsels; diese Rechtsvorgänge müssen aber den in § 1 Abs. 1 GrEStG beschriebenen Erwerbsvorgängen so nahe kommen, dass sie es dem Erwerber ermöglichen, sich den Wert des Grundstücks für eigene Rechnung nutzbar zu machen. Dabei kann der Rechtsvorgang, auf dem diese sog. Verwertungsbefugnis beruht, sowohl privatrechtlicher als auch öffentlich-rechtlicher Natur sein. Entscheidend ist, dass die eine Verwertungsbefugnis begründenden tatbestandlichen Anforderungen auch tatsächlich vorliegen.

1. Ein zum Erwerb der Verwertungsbefugnis führender Rechtsvorgang kann darin liegen, dass ein Treugeber bezüglich eines Grundstücks auf seinen Herausgabeanspruch gegenüber dem Treuhänder verzichtet. Mit diesem Verzicht erwirbt der Treuhänder die Verwertungsbefugnis am Grundstück, wenn zuvor ein Treuhandverhältnis bestand, aufgrund dessen der Treugeber sich den Wert eines Grundstücks jederzeit nutzbar machen konnte.

Für einen nach § 1 Abs. 2 GrEStG steuerbaren Erwerb der Verwertungsbefugnis muss im konkreten Fall die Feststellung getroffen werden können, dass ein Treuhandverhältnis und ein darauf beruhender Herausgabeanspruch des Treugebers auch tatsächlich bestanden hat.

2. Einwirkungsmöglichkeiten eines Gesellschafters auf Gesellschaftsebene sind für eine Verwertungsbefugnis i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG nicht ausreichend. Das folgt aus der Systematik des Grunder­werbsteuerrechts, das Gesamthandsgemeinschaften und Kapitalgesellschaften als eigene Rechts­subjekte behandelt und Gesellschaftern die im Eigentum der Gesellschaft stehenden Grundstücke grunderwerbsteuerrechtlich nur ausnahmsweise zuordnet, wenn mindestens 95 % der Anteile an der Gesellschaft in einer Hand vereinigt sind (§ 1 Abs. 3 GrEStG).

Sogar die Stellung als Alleingesellschafter einer GmbH begründet keine Verwertungsbefugnis i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG. Dieser kann zwar darauf hinwirken, dass Grundstücke veräußert werden, und über den Gewinn der Gesellschaft einen etwaigen Mehrerlös aus der Veräußerung an sich ziehen. Er ist dafür jedoch auf seine Mitwirkungsrechte in den Organen der GmbH, deren Handeln der GmbH zuzurechnen ist, angewiesen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 24.4.2013 – II R 32/11

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