Leitsatz

1. Vermietet eine Einrichtung des öffentlichen Rechts, der die soziale Betreuung und Förderung der Studenten obliegt (Studentenwerk), Wohnraum an Bedienstete, die in Studentenwohnheimen tätig sind, um die Unterbringung von Studenten am Hochschulort zu gewährleisten, und liegen die Voraussetzungen des § 4 Nr. 23 UStG nicht vor, sind die Vermietungsleistungen nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der 6. EG-RL steuerfrei.

2. Die kurzfristige Vermietung von Wohnräumen und Schlafräumen an Nichtstudierende durch ein Studentenwerk ist ein selbstständiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb, wenn sie sich aus tatsächlichen Gründen von den satzungsmäßigen Leistungen abgrenzen lässt. Dieser wirtschaftliche Geschäftsbetrieb ist kein Zweckbetrieb; dessen Umsätze unterliegen der Besteuerung nach dem Regelsteuersatz.

 

Normenkette

§ 4 Nr. 23 UStG , § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG , § 65 AO , § 68 Nr. 1 Buchst. b AO , Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Die Klägerin, ein Studentenwerk (rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts), betrieb Studentenwohnheime. Sie überließ zur Kapazitätsauslastung auch kurzfristig Wohnräume in den Wohnheimen an Bedienstete und Gäste.

Sie beanspruchte vergeblich den ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG. FA und FG meinten, die Voraussetzungen für einen Zweckbetrieb i.S.d. § 66 AO seien nicht gegeben.

 

Entscheidung

Der BFH verwies die Sache mangels ausreichender Feststellungen an das FG zurück. Ob die Beurteilung als einheitlicher Geschäftsbetrieb für die Klägerin günstiger gewesen wäre, ist zweifelhaft; denn je nach dem Umfang der Fremdvermietung dürfte die Beurteilung als Studentenheim schwerfallen.

 

Hinweis

Die Besprechungsentscheidung ist ein weiteres Beispiel dafür, dass die z.T. aus dem Umsatzsteuerrecht 1967 übernommenen Befreiungstatbestände endlich unter Berücksichtigung der 6. EG-RL überarbeitet werden müssten. Anstrengungen des Gesetzgebers hierzu sind kaum erkennbar. Beachten Sie deshalb: Es lohnt sich stets ein Vergleich der nationalen Befreiungsregelung mit der 6. EG-RL

1. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 23 Satz 1 UStG (für Beherbergung etc. durch Personen und Einrichtungen, wenn sie überwiegend Jugendliche für Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecke ... bei sich aufnehmen) erhält nach der Rechtsprechung nur, wem – entweder allein oder zusammen mit einem Dritten – selbst die Erziehung, Ausbildung oder Fortbildung der aufgenommenen Jugendlichen obliegt. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der 6. EG-RL ist umfassender. Ggf. kann sich der Unternehmer unmittelbar auf die 6. EG-RL berufen.

Durch die in der 6. EG-RL vorgesehene Befreiung der u.a. mit dem Hochschulunterricht eng verbundenen Dienstleistungen soll gewährleistet werden, dass der Zugang zum Hochschulunterricht nicht durch höhere Kosten versperrt wird, die entstünden, wenn dieser oder die mit ihm eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen der Mehrwertsteuer unterworfen wären (EuGH, Urteil vom 20.6.2002, Rs. C-287/00, Kommission/Deutschland). Eng mit dem Hochschulunterricht verbunden sind die Vermietungsleistungen an Studenten von Studentenwerken, denen als Anstalt des öffentlichen Rechts im Zusammenwirken mit den Hochschulen die soziale Betreuung und Förderung der Studenten obliegt. Mit umfasst von der Befreiung sind Vermietungsleistungen an Bedienstete, die in Studentenwohnheimen tätig sind, um die Unterbringung von Studenten am Hochschulort zu gewährleisten. Befreit sind nur Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung. Die Anerkennung kann sich nicht nur aus steuerrechtlichen Normen ergeben. Allein die Tatsache der Vermietung von Wohnraum an Studenten reicht aber nicht aus.

2. Zur Prüfung, ob ein Zweckbetrieb oder ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vorliegt, der der Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG entgegensteht:

  • Mehrere Tätigkeiten einer i.S.d. §§ 51 bis 68 AO gemeinnützigen Körperschaft können einen einzigen oder mehrere Betriebe bilden; ihrer Art nach unterschiedliche Tätigkeiten sind grundsätzlich mehrere wirtschaftliche Geschäftsbetriebe. Ein räumlicher Zusammenhang schließt die Beurteilung als zwei oder mehrere wirtschaftliche Geschäftsbetriebe nicht schon aus.
  • Liegt hiernach ein selbstständiger Geschäftsbetrieb vor, ist nur dieser – im Besprechungsfall die Vermietung an Nichtstudierende – zu beurteilen.
  • Zweckbetriebe sind nach § 68 Nr. 1 Buchst. b AO zwar auch u.a. Studentenheime. Das setzt aber die Vermietung an Studenten voraus; die Vermietung an "Nichtstudierende" ist kein "Studentenheim".
  • § 66 AO setzt voraus, dass die Leistungen der Einrichtung der Wohlfahrtspflege zu mindestens zwei Dritteln den in § 53 AO bezeichneten Personen zugute kommen (§ 66 Abs. 1 und Abs. 3 AO). Diese Anforderungen sind hinsichtlich eines selbstständig zu beurteilenden wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs "Vermietung an Nicht...

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