Leitsatz

Das BMF wird aufgefordert, dem Verfahren beizutreten, um zu der Frage Stellung zu nehmen, ob die in § 8 Abs. 2 GrEStG angeordnete Heranziehung der Grundbesitzwerte i.S.d. § 138 BewG als Bemessungsgrundlage der GrESt verfassungsgemäß ist.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 3 Nr. 3, § 8 Abs. 2 GrEStG, § 138 BewG, Art. 3 Abs. 1 GG

 

Sachverhalt

Die Klägerin erwarb 2002 käuflich den einzigen Geschäftsanteil an einer grundbesitzenden GmbH und zeigte diesen Erwerb erst im März 2003 an. An diesem Tag wurde der Kaufvertrag wieder aufgehoben. Der Kaufpreis war noch nicht bezahlt. Gleichwohl setzte das FA die GrESt gem. § 1 Abs. 3 Nr. 3 i.V.m. § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 GrEStG fest, nachdem es zuvor die Grundstückswerte für die beiden Grundstücke der GmbH – ein bebautes und ein unbebautes – hatte feststellen lassen. Die Aufhebung des Kaufvertrags blieb unberücksichtigt, da der Erwerbsvorgang nicht ordnungsgemäß angezeigt worden war, § 16 Abs. 5 GrEStG.

Einspruch und Klage blieben erfolglos (FG Münster, Urteil vom 17.09.2008, 8 K 4809/06 GrE, Haufe-Index 2062654, EFG 2008, 1996).

 

Entscheidung

Der BFH hält die Steuerfestsetzung für rechtens. Zwar lägen die Voraussetzungen einer Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG vor – die Vorschrift sei auch bei Erwerbsvorgängen gem. § 1 Abs. 3 GrEStG anwendbar –; jedoch sei der Kaufvertrag weder vom Notar noch von der Klägerin innerhalb der Anzeigefrist angezeigt worden, obwohl eine fristgemäße Anzeige ohne Weiteres möglich gewesen wäre.

Der BFH hat allerdings Zweifel, ob § 8 Abs. 2 GrEStG mit der Verweisung auf § 138 BewG vor dem Hintergrund der Tarifvorschrift des § 11 Abs. 1 GrEStG verfassungsgemäß ist.

 

Hinweis

Der BFH hat bislang in einer Reihe von Fällen bei der GrESt unterliegenden Erwerbsvorgängen vor 2009 den § 8 Abs. 2 ErbStG angewendet. Er ist dabei davon ausgegangen, dass der Gesetzgeber die Vorgaben desBVerfG im Beschluss vom 07.11.2006, 1 BvL 10/02 (BFH/NV Beilage 2007, 237, Haufe-Index 1683333) für die Bewertung von Grundstücken gemeinsam sowohl für die ErbSt als auch für die GrESt umsetzen werde. Er hat damit die für die ErbSt angeordnete Weitergeltung des bisherigen ErbSt-Rechts bis spätestens Ende 2008 bezüglich der darin eingeschlossenen §§ 138ff. BewG stillschweigend auf die GrESt erstreckt.

Nachdem sich diese Erwartung nicht erfüllt hat, steht der BFH vor der Frage, ob er daran jedenfalls für alle Erwerbsvorgänge vor 2009 festhalten kann oder ob in allen noch offenen Fällen zu berücksichtigen ist, dass das BVerfG die Bewertungsvorschriften der §§ 138ff. BewG nicht nur wegen der Wertverzerrungen über die verschiedenen Vermögensarten hinweg, sondern besonders wegen der Wertverzerrungen innerhalb des Grundvermögens für verfassungswidrig gehalten hat. Der BFH neigt zu Letzterem. Da der Gleichlauf von ErbSt und GrESt aufgegeben worden ist, sieht er sich nicht mehr befugt, wie bisher von der Weitergeltungsanordnung Gebrauch zu machen und damit für Zwecke der GrESt verfassungwidriges Recht anzuwenden.

Die Problematik einer Bewertung, die trotz einheitlichen Steuertarifs zu in der Relation nicht realitätsgerechten Werten führt, bestand nicht nur für die ErbSt, sondern besteht noch für die GrESt. Der Anwendungsbereich des § 8 Abs. 2 GrEStG ist dabei keineswegs auf die Bewertung des Grundvermögens beschränkt. Er umfasst auch das land- und fortwirtschaftliche Vermögen mit den Sonderregelungen für die Bewertung der zum Betriebsteil gehörenden Grundstücke. Daher geht es auch um vermögensartübergreifende Wertverzerrungen.

Zur Vermeidung einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebots des Art. 3 Abs. 1 GG bietet sich auch für Zwecke der GrESt die Ausrichtung am gemeinen Wert an. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass im Rahmen des § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Kaufpreis auch dann die Bemessungsgrundlage bildet, wenn er den Verkehrswert des betroffenen Grundstücks erkennbar unterschreitet.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 27.05.2009 – II R 64/08

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