Leitsatz

1. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der 6. EG-RL erfasst auch die Aus- und Fortbildung, sodass es nicht darauf ankommt, ob sich der Privatlehrer an Schüler oder Hochschüler wendet oder ob es sich um einen in einen Lehr- oder Studienplan eingebetteten Unterricht handelt (Änderung der Rechtsprechung).

2. Supervisionen können als Unterrichtseinheiten, die von Privatlehrern erteilt werden und die sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehen, nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der 6. EG-RL steuerfrei sein.

 

Normenkette

§ 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG 1999/2005, Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i und j UStG 1999/2005

 

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erbrachte in den Streitjahren 2000 bis 2006 als Diplom-Sozialpädagogin und Diplom-Organisationsberaterin sog. Supervisionsleistungen für Träger der Wohlfahrtspflege, der Jugendhilfe, der Psychiatrie, für Suchtberatungsstellen sowie für Diakonie und Caritas. Dabei führte sie für ihre Auftraggeber sog. Supervisionen mit deren Mitarbeitern durch. Darüber hinaus erbrachte sie auch Lehrsupervisionsleistungen. Ihr war von der zuständigen Bezirksregierung am 25.10.1999 zur Vorlage bei den Finanzbehörden bescheinigt worden, dass sie die Leistung "Supervision und Lehrsupervision" als berufliche Bildungsmaßnahme nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG ordnungsgemäß durchführe. Das FG (FG Köln, Urteil vom 30.8.2012, 6 K 1005/08, Haufe-Index 3456489, EFG 2012, 2321) gab der Klage statt.

 

Entscheidung

Der BFH hob das Urteil des FG auf und verwies die Sache an das FG zur erneuten Prüfung zurück.

 

Hinweis

1.§ 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG befreit "die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, … wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten". Eine Bescheinigung, aus der sich nur ergibt, dass berufliche Bildungsmaßnahmen ordnungsgemäß durchgeführt werden, reicht hierfür nicht aus.

2.Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL (Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der 6. EG-RL) befreit nach seinem Wortlaut den von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht.

a) Nach dem EuGH-Urteil vom 28.1.2010, C-473/08, Eulitz (Slg. 2010, I-907) kommt es auf Unterrichtseinheiten an, die sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehen. Dies erfasst nicht nur Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt, sondern schließt andere Tätigkeiten ein, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten von Schülern oder Studenten zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben (EuGH, Urteil vom 14.6.2007, C-445/05, Haderer, Slg. 2007, I-4841). Es handelt sich um die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten durch den Unterrichtenden an Schüler oder Studierende im Rahmen einer Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit (EuGH, Urteil Eulitz in Slg. 2010, I-907).

Dies erfasst auch Aus- und Fortbildung, da nicht zwischen dem Unterricht, der Schülern oder Studierenden erteilt wird, die an einer erstmaligen Schul- oder Hochschulausbildung teilnehmen, und dem Unterricht zu unterscheiden ist, der Personen erteilt wird, die bereits über einen Schul- oder Hochschulabschluss verfügen und die aufgrund dieses Abschlusses ihre Berufsausbildung betreiben. Eine derartige Differenzierung nach Unterrichtsinhalten wäre schwierig. Eine enge Auslegung des Begriffs Schul- und Hochschulunterricht könnte zudem zu einer je nach Mitgliedstaat unterschiedlichen Anwendung des Mehrwertsteuersystems führen, da die Unterrichtssysteme der Mitgliedstaaten unterschiedlich ausgestaltet sind (EuGH, Urteil vom 28.1.2010, C-473/08, Eulitz in Slg. 2010, I-907).

b) Hieraus folgert der BFH unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung, dass es nicht darauf ankommt, ob der Privatlehrer an einer Schule oder Hochschule tätig ist, ob er sich an Schüler oder Hochschüler wendet oder ob es sich um einen in einen Lehr- oder Studienplan eingebetteten Unterricht handelt (so noch BFH vom 17.4.2008, V R 58/05, BFHE 221, 489). Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL (Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der 6. EGRL) beziehe sich auf jegliche Aus- und Fortbildung, die nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung hat. Ein Lehrplan ist nicht zwingend für die Steuerfreiheit erforderlich. Es steht der Steuerfreiheit nicht entgegen, dass mehreren Personen gleichzeitig Unterricht erteilt wird.

3. Supervisionsleistungen können daher steuerfrei sein, wenn sie vorrangig auf die spezifischen Bedürfnisse einer Berufstätigkeit ausgerichtet sind und sie dazu dienen, Lösungsmöglichkeiten für konkrete Arbeitsplatzsituationen zu erarbeiten und in gemeinsamer Reflexio...

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