Leitsatz

1. Die Gewerbesteuerbefreiung nach § 3 Nr. 20 Buchst. c und d GewStG erfasst nur die Gewinne, die aus dem Betrieb der jeweiligen Einrichtung selbst erzielt werden. Übt der Träger der Einrichtung daneben Tätigkeiten aus, die nicht vom Zweck der Steuerprivilegierung gedeckt sind, unterfällt der daraus erzielte Gewinn der Gewerbesteuer.

2. Die Annahme einer nicht von der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 20 Buchst. c und d GewStG erfassten Tätigkeit setzt nicht voraus, dass die Tätigkeit die Voraussetzungen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs i.S. des § 14 Satz 1 AO erfüllt, den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung verlässt oder besondere organisatorische Vorkehrungen erfordert. Es genügt, dass der Tätigkeit trennbare Erträge zugeordnet werden können.

 

Normenkette

§ 3 Nr. 20 Buchst. c und d GewStG, § 14 Satz 1 AO

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GmbH, die Pflegeleistungen gegenüber Kranken entsprechend den Leistungskatalogen der Krankenversicherungen erbringt.

2009 erwarb Frau X sämtliche Geschäftsanteile und übernahm die Geschäftsführung. Zur Finanzierung der Anteilsübernahme nahm die Klägerin selbst ein Darlehen bei der D-Bank auf, für das ein einmaliges Bearbeitungsentgelt i.H.v. 5.000 EUR vereinbart war. Die Klägerin gewährte dann der Anteilserwerberin Frau X ein entsprechendes Darlehen zum selben Zinssatz und zudem ein weiteres mit 4 % zu verzinsendes Darlehen aus eigenem Vermögen.

Die Klägerin erhielt zudem geringfügige Provisionen.

Nach einer Außenprüfung wurden auf dem Darlehenskonto nicht erfasste Zinsen sowie die nicht weiterbelastete Bearbeitungsgebühr als vGA dem Einkommen hinzugerechnet. Außerdem ergingen GewSt-Messbescheide auf Grundlage einer partiellen GewSt-Pflicht in Höhe der erzielten Zins- und Provisionserträge.

Das FG hob die angefochtenen GewSt-Messbescheide auf (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.2.2019, 8 K 8030/15, Haufe-Index 13029852, EFG 2019, 721).

 

Entscheidung

Der BFH hob das FG-Urteil auf und wies die Klage ab.

 

Hinweis

1. Nach § 3 Nr. 20 Buchst. c GewStG i.d.F. 2009 bis 2011 sind Altenheime, Altenwohnheime und Pflegeheime unter weiteren – hier erfüllten – Voraussetzungen von der GewSt befreit. Dabei handelt es sich nicht um eine persönliche Steuerbefreiung: Befreit werden nicht die Träger der Einrichtung mit ihrem gesamten Gewerbeertrag, sondern nur die aus dem Betrieb der Einrichtung resultierenden Erträge. Deshalb ist zwischen begünstigten und nicht begünstigten Erträgen zu differenzieren.

2. Soweit der Träger der Einrichtung außerhalb derselben Erträge erzielt, unterliegen diese der GewSt. Eine sachliche Rechtfertigung, auch diese gewerblichen Erträge in die Steuerbefreiung einzubeziehen, fehlt. Denn der Zweck der Steuerbefreiung liegt darin, die bestehenden Versorgungsstrukturen bei der Behandlung kranker und pflegebedürftiger Personen zu verbessern und die Sozialversicherungsträger von Aufwendungen zu entlasten. Den Sozialversicherungsträgern können jedoch nur aus dem Betrieb der Einrichtung selbst Kosten entstehen.

3. Auf die Frage, ob der steuerpflichtige vom steuerfreien Bereich gegenstands- oder tätigkeitsbezogen abzugrenzen ist, kommt es nicht an, denn der BFH versteht die beiden Begrifflichkeiten als synonym. In der Vergangenheit hat der BFH z.B. die Steuerbefreiung der Gewinne aus dem Verkauf von Getränken und der Vermietung von Telefonen an Heimbewohner wegen einer vom eigentlichen Betrieb der Einrichtung zu unterscheidenden "Tätigkeit" versagt.

4. Die Versagung der Befreiung setzt nicht voraus, dass die nicht aus dem Betrieb der Einrichtung resultierenden Erträge zu einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gehören. Das ergibt sich insbesondere nicht aus den BFH-Entscheidungen (BFH, Urteil vom 22.6.2011, I R 43/10, BFH/NV 2011, 1792, BStBl II 2011, 892; BFH, Urteil vom 22.5.2011, I R 59/10, BFH/NV 2012, 61), denn dort ging es um nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG befreite gemeinnützige Körperschaften, deren Steuerbefreiung "insbesondere" dann und insoweit ausgeschlossen war, als die Gewinne aus steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben erzielt wurden, die keine Zweckbetriebe darstellten.

5. Die Versagung der Befreiung setzt auch nicht voraus, dass der Rahmen der privaten Vermögensverwaltung überschritten wird (vgl. § 14 Satz 3 AO).

Bei § 14 AO geht es um den steuerlich unverzerrten marktwirtschaftlichen Wettbewerb, der durch vermögensverwaltende Tätigkeiten nicht berührt wird.

Bei der Abgrenzung der nach § 3 Nr. 20 Buchst. c und d GewStG begünstigten oder nicht begünstigten Gewinne ist hingegen darauf abzustellen, ob die betreffenden Erträge zu einer Verbesserung der Versorgungsstrukturen bei der Behandlung kranker und pflegebedürftiger Personen führen oder Sozialversicherungsträger von Aufwendungen entlasten könnten.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 1.9.2021 – III R 20/19

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