Eine Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung im Erbscheinsverfahren ist aus Gründen der Subsidiarität wegen der Möglichkeit der Erbenfeststellungsklage regelmäßig unzulässig. (amtl.)

BayVerfGH v. 17.8.2021 – Vf. 84-VI-20

BGB § 2353, § 2361; ZPO § 256; BayVfGHG Art. 51

Beraterhinweis Die Verfassungsbeschwerde ist ein letzter außerordentlicher Rechtsbehelf, der nur dann zum Zuge kommt, wenn alle anderen Möglichkeiten erschöpft sind, um eine verfassungswidrige Maßnahme zu beseitigen. Selbst wenn der Rechtsweg im Erbscheinsverfahren erschöpft und der Erbschein bereits erteilt ist, besteht für den wirklichen Erben jederzeit die Möglichkeit, vor dem Prozessgericht eine Erbenfeststellungsklage gegen die Antragsteller im Erbscheinsverfahren zu erheben (BVerfG v. 29.8.2005 – 1 BvR 219/05, NJW-RR 2005, 1600; BVerfG v. 23.11.2016 – 1 BvR 2555/16, FamRZ 2017, 324; BVerfG v. 25.5.2020 – 1 BvR 1060/20, FamRZ 2020, 1390). Dieser Vorrang der Erbenfeststellungsklage gilt nicht nur in den Fällen, in denen es um eine inhaltliche Überprüfung des Ergebnisses des Erbscheinsverfahrens geht, sondern auch dann, wenn Verfahrensfehler gerügt werden. Das Prozessgericht ist dabei nicht gehindert, von den Feststellungen des Nachlassgerichts abzuweichen (BGH v. 14.4.2010 – IV ZR 135/08, FamRZ 2010, 1068). Im Erbscheinsverfahren werden keine der materiellen Rechtskraft fähigen Entscheidungen über das Erbrecht getroffen, die Bindungswirkung für einen späteren streitigen Prozess über die Feststellung des Erbrechts entfalten. Dem Erbschein kommt keine Rechtskraftwirkung zu, sondern er kann nach § 2361 BGB jederzeit eingezogen werden (BGH v. 14.4.2010 – IV ZR 135/08, FamRZ 2010, 1068). Sofern Dritte als Erben nicht ernsthaft in Betracht kommen, hat das Nachlassgericht den Erbschein grundsätzlich demjenigen zu erteilen, dessen Erbrecht im Prozess rechtskräftig festgestellt wird (BayObLG v. 30.4.1998 – 1Z BR 187/97, FamRZ 1999, 334; KG v. 11.11.2014 – 1 W 547-548/14, FGPrax 2015, 52; Zimmermann in Keidel, FamFG, § 352e Rz. 65).

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