Leitsatz (amtlich)

1. Im Rahmen der Rückforderung Europarechtswidrig gewährter Beihilfen sind die Vorschriften des deutschen Kapitalerhaltungs- und Insolvenzrechts zu beachten, soweit hierdurch nicht der Zielsetzung des Beihilfenverbots zuwider gehandelt wird.

2. Das Europäische Beihilferecht steht einer auf die Rechtsprechungsgrundsätze gem. §§ 30, 31 GmbHG analog gestützten Rückforderung einer als verbotene Beihilfe zu qualifizierenden kapitalersetzenden Finanzierungshilfe des Gesellschafters nicht entgegen.

3. Auch Bereicherungsansprüche eines Gesellschafters, die aus einer nichtigen - weil europarechtswidrigen - Darlehenshingabe resultieren, können kapitalersetzend verstrickt sein, wenn sie in der Krise der Gesellschaft stehen gelassen werden.

4. Das Kleingesellschafterprivileg des § 32a Abs. 3 S. 2 GmbHG findet keine Anwendung, wenn die Finanzierungshilfe des Gesellschafters bereits vor dem In-Kraft-Treten der Regelung am 24.4.1998 verstrickt war; der spätere Zeitpunkt der Rückzahlung ist hingegen unmaßgeblich.

 

Normenkette

EG Art. 87; GmbHG §§ 30-31, 32a Abs. 3; InsO §§ 129 ff.

 

Verfahrensgang

LG Erfurt (Urteil vom 07.09.2004; Aktenzeichen 1 HKO 260/02)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 05.07.2007; Aktenzeichen IX ZR 256/06)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Erfurt vom 7.9.2004 - 1 HKO 260/02 wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 14.641.194,49 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins aus 12.424.392,71 EUR seit dem 21.3.2002, aus 1.562.707,39 EUR seit dem 14.8.2000 und aus 654.094,39 EUR seit dem 13.9.2000 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weiter gehende Berufung des Klägers sowie die selbständige Anschlussberufung der Beklagten werden zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits 1. Instanz tragen der Kläger 25 % und die Beklagte 75 %, von den Kosten der 2. Instanz der Kläger 22 % und die Beklagte 78 %. Der Kläger trägt darüber hinaus die Kosten der Nebenintervention für beide Instanzen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger macht als Insolvenzverwalter der heute unter L. GmbH (L.) firmierenden Schuldnerin in der 2. Instanz noch insgesamt 4 Forderungen gegen die Beklagte geltend: 4.180.681,64 EUR aus einem zwischen der L. und der Beklagten am 25.10.1996 geschlossenen Vergleich (= Forderung 1) sowie insgesamt 14.641.194,49 EUR nach den Vorschriften über die Insolvenzanfechtung bzw. des Kapitalersatzrechts. Die Beklagte ist der Auffassung, dass durch den Vergleich die streitgegenständliche Zahlungsverpflichtung nicht begründet worden sei; im Übrigen erfüllten die Klageforderungen zum einen nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen der Insolvenzanfechtungs- bzw. Kapitalersatzvorschriften, zum anderen stehe einer Geltendmachung aber auch der Vorrang des Europäischen Beihilferechts entgegen.

Über das Vermögen der Schuldnerin wurde am 22.12.2000 durch das AG Meiningen das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

Die Schuldnerin L. firmierte bis zum 18.12.1997 unter CA. GmbH (C. alt), diese wiederum bis zum 12.10.1994 unter P.-A. GmbH (PA). Die PA wurde am 24.11.1992 als Tochter der P. GmbH & Co. KG durch übertragende Umwandlung der P.& R. GmbH & Co Beteiligungs KG (Besitzgesellschaft) sowie der P. & R. GmbH & Co. KG (Betriebsgesellschaft) errichtet; die Rechtsvorgängerinnen der PA sind ihrerseits aus einem Joint Venture zwischen dem VEB Kombinat R. und der R.E.P. GmbH & Co Beteiligungs KG hervorgegangen und gehörten ebenso wie dann die PA selbst zur sog. "P.-Gruppe". Unternehmensgegenstand der PA war der Betrieb des bereits zuvor von der P. GmbH & Co Konstruktions KG errichteten Werkes zur Herstellung von Compact Discs in A./Thüringen.

Im Zusammenhang mit der Gründung der Joint-Venture-Gesellschaft, der Errichtung, dem Betrieb und der Umstrukturierung des CD-Werkes in A./Thüringen sind von der öffentlichen Hand finanzielle Mitte! i.H.v. über 550 Mio. DM geflossen. Diese Leistungen erfolgten zum Teil durch die Beklagte, zum Teil aber auch durch andere Einrichtungen der öffentlichen Wirtschaftsförderung aus Thüringen und aus Bayern.

Im Jahre 1992 gewährte das Finanzamt Suhl der PA eine Investitionszulage i.H.v. 6.137.404 DM; die Beklagte gewährte der PA am 29.9.1993 ein Darlehen über 20 Mio. DM (= Kredit 1).

Am 25.7.1995 wurde über das Vermögen aller zur P.-Gruppe gehörenden Gesellschaften das Konkursverfahren eröffnet. Die PA war hiervon jed...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge