Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückstellungen für Nachbetreuungsleistungen an Hörgeräten

 

Leitsatz (redaktionell)

Hörgeräteakustiker können Rückstellungen für künftige Nachbetreuungsleistungen an Hörgeräten bilden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich bei der Nachbetreuung um eine medizinisch notwendige und vertraglich fest vereinbarte Pflicht zur ständigen Kontrolle und Wartung des Gerätes und des Gehörs des Patienten handelt, die nicht nur der Mängelbeseitigung oder Fehlerbehebung dient (Abgrenzung zu bloßen Garantie- und Kulanzleistungen und zu unwesentlichen Nebenleistungen; Entgegen dem BFH-Urteil vom 10.12.1992 XI R 34/91, BStBl II 1994, 158).

 

Normenkette

EStG § 5 Abs. 1; HGB § 249 Abs. 1 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 05.06.2002; Aktenzeichen I R 23/01)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin für künftige Nachbetreuungsleistungen an Hörgeräten Rückstellungen bilden kann.

Die Klägerin betreibt als Gesellschaft mit beschränkter Haftung ein Fachgeschäft für Hörgeräteakustik mit mehreren Filialen. Sie beschäftigt 16 Mitarbeiter. Sie ist Mitglied der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker, die mit den Bundesverbänden der Orts-, Betriebs-, Innungs- und landwirtschaftlichen Krankenkassen Verträge über die Lieferung von Hörhilfen an Anspruchsberechtigte der Krankenkassen abgeschlossen hat. Gemäß eines Vertrages zwischen der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker und dem AOK-Landesverband Thüringen und weiteren Krankenkassen (Bl. 20 der Finanzgerichtsakte -FG-Akte-) ist Gegenstand des Vertrags (§ 1) die Auswahl, Anpassung und Lieferung von Hörhilfen einschließlich der Nachbetreuung, der Erbringung von Reparaturen und sonstigen Leistungen. Gemäß § 5 Abs. 4 (Bl. 24 FG-Akte) übernimmt der Leistungserbringer die Nachbetreuung des Hörgeräteträgers. Die Nachbetreuung umfasst die Einweisung im Gebrauch der Hörhilfe einschließlich Zubehör bis zur sicheren Bedienung und die damit gegebenenfalls verbundene Feinanpassung, die anschließende Beratung des Schwerhörigen bis zu fünf Jahre sowie die Einweisung des Versicherten nach einer durchgeführten Reparatur. Diese Nachbetreuung ist nicht gesondert zu vergüten. Der Leistungserbringer übernimmt zudem (§ 5 Abs. 5 des Vertrages) die Gewährleistung auf Material- und Herstellungsfehler für ein Jahr. In § 6 des Vertrages zwischen der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker und dem Verband der Angestelltenkrankenkassen (VdAK, Bl. 31 ff FG-Akte) ist geregelt, dass mit der Vergütung abgegolten ist: Die Ausbildung des Versicherten im Gebrauch der Hörhilfe, die fachliche Beratung nach der Lieferung der Hörhilfe, die Garantie für Hörhilfen und die Nachbetreuung für fünf Jahre. Im Vertrag über die Hörgeräteversorgung von Kindern und Jugendlichen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr zwischen der Bundesinnung der Hörgeräte-Akustiker und mehreren Krankenkassen-Bundesverbänden (Bl. 131 ff der FG-Akte) wird geregelt, dass mit der Vergütung die Nachbetreuung für die gesamte Gebrauchsdauer des Hörgerätes abgegolten wird, soweit eine gesonderte Vergütung nicht in einer der Anlagen geregelt ist, § 3 Abs. 6 (Bl. 134 FG-Akte). Die Regelgebrauchszeit beträgt hiernach fünf Jahre. Im Vertrag über die Hörgeräteversorgung von Kindern und Jugendlichen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr zwischen einem großen Hörgeräteakustiker und mehreren Krankenkassen (Bl. 141 ff FG-Akte) wird die Nachbetreuung im Rahmen einer sog. Servicepauschale gesondert ausgewiesen. Gem. § 5 dieses Vertrages wird eine Versorgungspauschale für eine einohrige Versorgung (Gerätekosten) in Höhe von 2000,– DM vereinbart. Hinzu kommt eine Servicepauschale einschließlich sämtlicher Otoplastiken, Nachbetreuung, Reparaturen, technischen Anpassungen, Energieversorgungen etc. von 930,– DM jährlich, wobei mit der Zahlung der Versorgungspauschale für die Geräteversorgung auch die Kosten für die erste Zahlung der Servicepauschale fällig werden (Bl. 144 FG-Akte).

Die Klägerin gab in den Jahren 1994 1.239 Geräte, in 1995 1.368 Geräte ab. An Nachbetreuungsleistungen fallen bei ihr unter anderem an: Umfassende und oft mehrfache Einweisung in den Gebrauch des Gerätes, Analyse der Veränderungen des Gehörs durch regelmäßige Funktionsprüfungen, Anpassung des Gerätes bei Änderung der Hörgewohnheiten und Hörbedürfnisse, Anpassung bei Änderung des akustischen Umfeldes, Fehlerdiagnose und Neueinstellung bei Fehlbedienungen. Wegen der durchzuführenden Arbeiten im Einzelnen wird auf die Aufstellungen in den Wartungsheften verwiesen. Für die Bilanzjahre 1994 und 1995 bildete sie Rückstellungen für Nachbetreuungsleistungen, die der Beklagte unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10. Dezember 1992 (Az.: XI R 34/91, Bundessteuerblatt – BStBl – II 1994, 158) nicht anerkannte. Die Nachbetreuungsleistungen seien wirtschaftlich erst nach dem Bilanzstichtag verursacht, nicht schon mit dem Verkauf des Hörgerätes. Der Einspruch blieb erfolglos.

Die Klägerin trägt vor, eine Rückstellung müsse gebildet werden. Sie sei sozialrechtlich verpflichtet, fünf Jahre la...

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