Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung einer Nachzahlung von Berufsausbildungsbeihilfe für das Vorjahr bei der Ermittlung der maßgeblichen Einkünfte und Bezüge des Kindes

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der Feststellung, ob der Jahresgrenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG überschritten ist, sind alle Einkünfte und Bezüge des Kindes anzusetzen, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung geeignet und bestimmt sind und die diesem im Laufe eines Jahres zufließen. Zuflüsse und Abflüsse in anderen Jahren bleiben außer Betracht.

2. Die Nachzahlung einer Berufsausbildungsbeihilfe für das Vorjahr ist als Bezug des gesamten Jahres der Zahlung anzusehen. Bei der Ermittlung der schädlichen Einkünfte und Bezüge ist der nach Kürzung um die anteilige Unkostenpauschale verbleibende Nachzahlungsbetrag aufzuteilen und nur zeitanteilig anzurechnen, soweit er auf die Monate entfällt, in denen ein Kindergeldanspruch besteht.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 Sätze 2, 6-7

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 18.03.2009; Aktenzeichen III R 95/06)

BFH (Urteil vom 18.03.2009; Aktenzeichen III R 95/06)

 

Tenor

1. Der Aufhebungsbescheid vom 11.10.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.11.2004 wird aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, der Klägerin Kindergeld für ihren Sohn A für die Zeit von Januar bis Juni 2002 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist wegen der von der Beklagten zu tragenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand

Streitig ist die Aufhebung der Festsetzung von Kindergeld für den Zeitraum Januar bis Juni 2002, insbesondere ob der anteilige Grenzbetrag überschritten ist und über welche Einkünfte und Bezüge das Kind verfügte.

Die Klägerin ist die Mutter des am 27.04.1983 geborenen Kindes A. Dieser befand sich unstreitig von Januar bis 28. Juni 2002 in Berufsausbildung. Er erzielte in diesem Zeitraum Einkünfte in Höhe von 2.295,80 EUR. Der Sohn erhielt ferner im April 2002 eine Nachzahlung von Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) für die Zeit vom 1.09.2000 bis 31.08.2001 in Höhe von 2.335,62 EUR. Sozialversicherungsbeiträge wurden für die Zeit von Januar bis Juni 2002 in Höhe von 574,95 Euro gezahlt.

Die Beklagte berücksichtigte die Berufsausbildungsbeihilfe in voller Höhe und ermittelte somit nach Abzug der Kostenpauschale von 180 EUR Bezüge des Kindes in Höhe von 2.155,62 EUR. Da nach Auffassung der Beklagten die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes mit 4.451,42 EUR den anteiligen Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Sätze 2 bis 7 EStG von 3.594 EUR überschritten, hob die Beklagte mit Bescheid vom 11.10.2004 die Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum Januar bis Juni 2002 auf.

Nach erfolglosem Einspruch verfolgt die Klägerin ihr Begehren mit der Klage weiter. Sie vertritt die Auffassung, die Nachzahlung habe nur soweit sie wirtschaftlich auf den Anspruchszeitraum Januar bis Juni 2002 entfällt, d. h. in Höhe von 6/12 bei den Bezügen angerechnet werden dürfen. Bei nur zeitanteiliger Berücksichtigung wäre der maßgebliche Grenzbetrag nicht überschritten und Kindergeld stünde der Klägerin zu. Nach den BFH-Urteilen vom 16.04.2002 VIII R 76/01, BFHE 199, 116, BStBl II 2002, 525 (vgl. hierzu Anm. Greite, FR 2002, 835) und vom 11.12.2001 VI R 5/00, BFHE 197, 408, BStBl II 2002, 205 sei zwar in einem ersten Schritt das Zuflussprinzip anzuwenden, wonach der Zufluss der Berufsausbildungsbeihilfe im April 2002 erfolgt sei. In einem zweiten Schritt sei im Wege der Entfallensprüfung festzustellen, welchen Zeiträumen innerhalb des Jahres (Grenzbetragszeitraum) der zugeflossene Betrag wirtschaftlich zuzuordnen sei.

Die Klägerin beantragt,

den Aufhebungsbescheid vom 11.10.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.11.2004 aufzuheben und der Klägerin Kindergeld für ihren Sohn A für die Zeit von Januar bis Juni 2002 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach Auffassung der Beklagten ist die im April 2002 erfolgte Nachzahlung der Berufsausbildungsbeihilfe nach § 11 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG entsprechend dem Zuflussprinzip dem Kalenderjahr 2002 zuzuordnen und als Bezug im April in voller Höhe zu berücksichtigen, weshalb der anteilige Grenzbetrag überschritten sei. Aufgrund des Jahresprinzips (Jahresgrenzbetrag) werde eine Nachzahlung oder Rückzahlung über die Jahresgrenze hinweg nur im Jahr des Zu- oder Abflusses erfasst. Eine Bezügenachzahlung für ein abgelaufenes Jahr sei im Monat des Zuflusses zu erfassen. Eine Aufteilung von Bezügen oder Einkünften komme nur in Betracht, wenn die Zahlung im Laufe eines Jahres geleistet werde (vgl. DA-FamEStG 63.4.1.1. Abs. 5). Auch unter Berücksichtigung der gezahlten Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 574,95 Euro überschritten die Einkünfte und Bezüge des ...

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