Leitsatz

Der Erwerb eines Grundstücks in Erfüllung eines Vermächtnisses ist ein teilentgeltlicher und damit im Rahmen der Besteuerung nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 22 Nr. 2 EStG aufteilbarer Vorgang, wenn der Vermächtnisnehmer für den Erwerb des vermachten Gegenstands eine Gegenleistung erbringen muss, deren Wert die vermächtnisweise Zuwendung nicht ausgleicht.

 

Normenkette

§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 3 EStG

 

Sachverhalt

Zwei Schwestern sind Erbinnen ihrer verstorbenen Mutter, deren Nachlass im Wesentlichen aus einem Grundstück bestand. Das Testament regelte ein Vorausvermächtnis. Die Schwester K war berechtigt, das Grundstück (Wert: 200 000 EUR) zu übernehmen und musste ein Viertel des Verkehrswerts an ihre Schwester zahlen. Nach dem Tod der Mutter nahm K das Übernahmerecht an. K erwarb das Grundstück durch Übertragungsvertrag und zahlte 50 000 EUR an die Schwester. Ein Jahr später veräußerte sie das Grundstück für 200 000 EUR an einen Dritten. FA und FG unterwarfen einen Veräußerungsgewinn von 50 000 EUR der Besteuerung. Wie das? FA und FG gingen davon aus, dass K die eine Hälfte unentgeltlich erwarb und die andere Hälfte entgeltlich und dafür 50 000 EUR Anschaffungskosten aufwandte (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.05.2010, 12 K 1737/07, Haufe-Index 2597687, EFG 2011, 706). Bei einem anteiligen (soweit entgeltlich) Veräußerungspreis von 100 000 EUR wäre das also ein Gewinn von 50 000 EUR.

 

Entscheidung

Dies ist ein falsches Ergebnis, so der BFH. Denn K hatte ja die Hälfte des Grundstücks nicht bereits durch Erbfall (unentgeltlich) erworben. K hat das gesamte Grundstück von der Erbengemeinschaft (K und ihre Schwester) aufgrund des Vermächtnisses erworben. In dieser Erkenntnis steckt schon die Lösung des Falls: K musste nur ein Viertel des Werts als Gegenleistung erbringen. Sie hat also drei Viertel unentgeltlich erworben. Da für das entgeltliche Viertel die Anschaffungskosten mit dem (anteiligen) Veräußerungspreis übereinstimmen, hat K keinen Gewinn erzielt.

 

Hinweis

1. Wer aufgrund eines Erbfalls erwirbt, schafft nach herrschender Dogmatik nicht an. Wer aber aufgrund eines Vermächtnisses ein Grundstück erhält, erwirbt es nicht unmittelbar mit dem Erbfall, sondern mittelbar von dem Träger des Nachlasses, also dem Erben (§ 2147 BGB) oder der Erbengemeinschaft (§ 2148 BGB), und zwar aufgrund eines eigenständigen Grundstücksübertragungsvertrags in Erfüllung des (schuldrechtlich) wirkenden Vermächtnisses nach § 2174 BGB. Auch der Erbe selbst kann Vermächtnisnehmer sein. Diese Situation regelt § 2150 BGB als Vorausvermächtnis. Sie ist gegeben, wenn der Erblasser dem begünstigten Miterben über seinen Anteil hinaus etwas zuwenden will. Diese Intention grenzt ein Vorausvermächtnis von einer Teilungsanordnung (§ 2048 BGB) ab.

2. Nach so viel Erbrecht nun zum Steuerrecht, speziell zur Veräußerungsgewinnbesteuerung. Ist eigentlich der Erwerb aufgrund eines Vermächtnisses stets unentgeltlich? Denn der Erblasser will dem Berechtigten ja etwas zuwenden. Indes gilt das mit der Folge eines entgeltlichen Geschäfts nicht oder nicht in vollem Umfang, wenn der Vermächtnisnehmer für den Erwerb des vermachten Gegenstands eine Gegenleistung erbringen muss. Muss der Vermächtnisnehmer den Wert der Zuwendung nicht voll ausgleichen, handelt es sich um ein teilentgeltliches Geschäft, das in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichen Teil aufgeteilt werden muss.

3. Der Grund für diese Aufteilung liegt darin, dass beim unentgeltlichen Erwerb dem Erwerber nach § 23 Abs. 1 S. 3 EStG die Anschaffung durch den Rechtsvorgänger zuzurechnen ist. Hat also der Rechtsvorgänger innerhalb der maßgebenden Frist das Grundstück seinerseits angeschafft, ist die Veräußerung steuerbar und dem Veräußerungspreis sind die Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers gegenüber zu stellen. Umgekehrt: Hat der Rechtsvorgänger – im Streitfall die Erbengemeinschaft – nicht angeschafft (weil durch Erbfall erhalten), ist das teilentgeltliche Geschäft nicht steuerbar.

4. Wenn nun unsere Frau K 25 % des Werts des Grundstücks an ihre Miterbin zahlen muss, liegt auf der Hand, dass sich dieser Erwerb zu 75 % unentgeltlich vollzieht. Dann wäre als Ergebnis der Aufteilung nur ein Teil des Geschäfts von 25 % steuerbar.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 29.06.2011 – IX R 63/10

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