Bei Lieferketten, wie sie im internationalen Warenverkehr heutzutage die Regel sind, ergeben sich durch die zollrechtliche Statusveränderung des VK weitere potenziell problematische Rechtsfolgen. Wie bereits beschrieben, hat die EU mit vielen Drittstaaten (insgesamt über 70) zollrechtliche Verträge abgeschlossen. Diese Verträge führen dazu, dass Waren mit Herkunft aus der EU niedrigeren Zollsätzen unterliegen oder vollständig vom Zoll befreit sein können. Voraussetzung ist allerdings der Nachweis des entsprechenden Ursprungs aus der EU.

Wenn eine Ware als Produkt u. a. Komponenten enthält, die aus dem VK stammen, war dies bisher für die Qualifizierung als Ware mit Ursprung aus der EU irrelevant, weil das VK zur entsprechenden Staatengemeinschaft zählte. Durch den Austritt sind jedoch aus dem VK stammende Komponenten schädlich. Es ist nunmehr grundsätzlich anhand des Warenwerts zu prüfen, ob eine Ware wegen aus dem VK stammender Teile den Ursprung aus der EU verliert und damit nicht mehr von zollrechtlichen Begünstigungen im Bestimmungsland profitieren kann. Die entsprechenden Regelungen stellen meistens auf prozentuale Grenzen ab, die nicht überschritten werden dürfen. Sie sind im Einzelfall für die Warenart und das Abkommenspartnerland zu prüfen.

Sogar Waren, die in der EU hergestellt wurden, können durch den Brexit ihre EU-Ursprungseigenschaft im zollrechtlichen Sinn verlieren. Wenn z. B. eine solche Ware vor dem 01.01.2021 in das VK gelangt ist, dort z. B. gelagert wurde und nun nach dem 31.12.2020 in die EU eingeführt wird, gilt sie nicht als EU-Ware und ist für eine eventuelle Weiterverarbeitung entsprechend schädlicher Bestandteil. Das gleiche Problem besteht für bis zum 31.12.2020 im VK produzierte Waren, die nach diesem Stichtag in die EU eingeführt werden.

Nach Verlautbarungen der EU und der deutschen Zollverwaltung ist klar, dass seit dem 01.01.2021 jede Vorleistung, die im VK erbracht wird (Erzeugnisse, Materialien oder jeder Be- oder Verarbeitungsvorgang; nachstehend VK-Inhalt), für die Bestimmung des präferenziellen Ursprungs einer Ware als "nicht Ursprungserzeugnis/-komponente" gilt.

Ursprungsnachweise, die vor dem 01.01.2021 in der EU oder im VK für Waren mit VK-Inhalt ausgestellt werden, bewirken nur dann eine Präferenzbehandlung, wenn bis zum 31.12.2020 die Ausfuhr der Warensendungen erfolgt oder gewährleistet ist. Eine weitere Nutzung solcher Ursprungsnachweise für EU-Ursprungswaren im Rahmen von Kumulierungsbestimmungen ist ausgeschlossen.

Lieferantenerklärungen aus dem VK, die vor dem 01.01.2021 ausgefertigt wurden, sind ab diesem Tag automatisch ungültig. Stammt die Erklärung aus einem der verbliebenen EU-Mitgliedstaaten, so muss der Lieferant den Kunden informieren, wenn die Erklärung für die gelieferte Ware aufgrund von maßgeblichen VK-Inhalten ab dem Stichtag nicht mehr gültig ist.

 
Praxis-Beispiel

Beispiel

Es wird eine Lieferantenerklärung für eine Ware mit EU-Ursprung am 30.11.2020 durch einen deutschen Unternehmer ausgestellt. Die Ware wird im VK weiterverarbeitet. Die entsprechende Verarbeitung wird erst am 04.02.2021 abgeschlossen. Damit entfällt die Präferenzberechtigung als EU-Ware.

Das VK hat sich und ist weiterhin bemüht, Abkommen mit möglichst vielen Staaten abzuschließen, um selbst wieder Präferenzbegünstigungen zu erhalten.

Insbesondere wurde für 63 Staaten vereinbart, dass die mit der EU verhandelten Verträge auch nach dem Brexit für das VK weitergelten. Zu diesen Staaten zählen u. a. die Türkei, Südafrika, Marokko, Israel, Singapur und Südkorea. Mit Japan wurde ein eigenes Abkommen geschlossen. Mit weiteren Staaten laufen Verhandlungen.

 
Hinweis

Praxishinweis

Unternehmen, die Waren aus dem VK verarbeiten oder aus dem VK stammende Komponenten verbauen, müssen bei Weiterlieferung in Staaten außerhalb der EU prüfen, ob die Waren nach dem Brexit noch als EU-Waren gelten. Ist dies wegen zu hoher britischer Anteile nicht mehr der Fall, drohen erhöhte Zollbelastungen oder andere Nachteile.

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