Leitsatz

Die in § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG vorgesehene Stundung der Erbschaftsteuer auf nießbrauchsbelastetes Vermögen ist auch zu gewähren, wenn zwar nicht der Erwerb, aber der Vorerwerb nach § 14 ErbStG zugunsten des Ehegatten des Erblassers belastet ist.

 

Sachverhalt

Die Kläger sind Vermächtnisnehmer ihres verstorbenen Vaters. Im Ehegattentestament der Eheleute wurden den Klägern Geldvermächtnisse zugewandt. Durch notariellen Vertrag wurde den Klägern zu je ½ das Eigentum an dem Grundstück X und an dem Grundstück Y gegen Einräumung eines lebenslänglichen Nießbrauchsrechts übertragen. Nach dem Übertragungsvertrag sollte das Nießbrauchsrecht nach dem Tode des Zuerstversterbenden dem Überlebenden ganz und uneingeschränkt zustehen. Gegen die vom Beklagten erlassenen zwei Erbschaftsteuerbescheide legten die Kläger Einsprüche ein und beantragten, wegen der Nießbrauchsbelastung des Vorerwerbs die Erbschaftsteuer nach § 25 ErbStG zu stunden.

 

Entscheidung

Die Klage ist begründet. Die beiden Erbschaftsteuerbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidungen sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat die in den Erbschaftsteuerbescheiden gegenüber den Klägern festgesetzte Erbschaftsteuer zu Unrecht nicht nach § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG bis zum Wegfall des hinsichtlich der Grundstücke X und Y bestehenden Nießbrauchsrechts zinslos gestundet.

 

Hinweis

Die streitgegenständliche Rechtsfrage wird in der Rechtsprechung der Finanzgerichte nicht einheitlich beurteilt. Das FG Rheinland-Pfalz hat bei einem Sachverhalt, in dem sowohl der Vor- als auch der Nacherwerb mit Nießbrauchsrechten i.S. des § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG belastet waren, entschieden, dass bei der nach § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG vorzunehmenden Berechnung des Stundungsbetrags für den Nacherwerb auch die Belastung des Vorerwerbs zu berücksichtigen ist (FG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 19. 9. 1996, 4 K 2761/95, ZEV 1996, S. 439). Dem hat das FG München in einem Streitfall widersprochen, in dem nur der Vorerwerb, nicht aber der Nacherwerb mit einem Nießbrauchsrecht zugunsten des Schenkers belastet war. Auch für das FG München war dabei ausschlaggebend, dass der BFH für die Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG eine Zusammenfassung von Vor- und Nacherwerb zu einem einheitlichen Erwerb abgelehnt hat (FG München, Urteil v. 27. 10. 2004, 4 K 1798/02, EFG 2005, S. 620). Demgegenüber schlägt nach Ansicht des FG Nürnberg eine im Zeitpunkt des Nacherwerbs weiterhin bestehende Nießbrauchsbelastung des Vorerwerbs auf die nach § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG vorzunehmende Berechnung des Steuer- und Stundungsbetrags für den Nacherwerb durch. Im Gegensatz dazu sieht das FG Nürnberg hierin gerade keinen Verstoß gegen die durch § 14 ErbStG vorgeschriebene Selbständigkeit von Vor- und Nacherwerb (FG Nürnberg, Urteil v. 28. 10. 2004, IV 440/2003, EFG 2005, S. 621). Schließlich hat das Schleswig-Holsteinische FG entscheiden, dass bei der Berechnung der für den Nacherwerb zu stundenden Steuer der Vorerwerb jedenfalls dann mit dem Nettowert in die Berechnung einzubeziehen ist, wenn zwischen Vor- und Nacherwerb kein Steuerklassenwechsel eingetreten ist, durch den Nacherwerb auch bei Ansatz der Bruttowerte kein Steuersatzsprung ausgelöst würde und sich der persönliche Freibetrag bei der Besteuerung des Vorerwerbs nicht in voller Höhe ausgewirkt hat (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil v. 20. 12. 2004, 3 K 218/02, StE 2005, S. 186). Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist die Revision zum BFH nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen worden.

 

Link zur Entscheidung

FG Köln, Urteil vom 05.04.2005, 9 K 6814/01

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