Nur verlorener Aufwand wird berücksichtigt

Bei der Anerkennung von Aufwendungen für die behindertengerechte Ausstattung eines Gebäudes oder einer Wohnung als außergewöhnliche Belastung waren Rechtsprechung und Finanzverwaltung früher relativ kleinlich. Dies hat sich zwischenzeitlich geändert.

Mehraufwendungen wegen der behindertengerechten Gestaltung eines für den eigenen Wohnbedarf errichteten Hauses konnten nur dann außergewöhnliche Belastungen sein, wenn sich diese Aufwendungen ausnahmsweise anhand eindeutiger und objektiver Kriterien, die von ungewissen zukünftigen Ereignissen unabhängig sind, von den Aufwendungen, durch die der Steuerpflichtige seinen Wohnbedürfnissen Rechnung trägt, unterscheiden lassen. Außerdem musste ausgeschlossen sein, dass die durch diese Aufwendungen geschaffenen Einrichtungen jemals wertbildende Faktoren für das Haus darstellen können; wenn also eindeutig "verlorener Aufwand" vorlag.

Gegenwerttheorie

Das war nach der früheren Rechtsprechung des BFH nicht der Fall, wenn der Steuerpflichtige Gegenstände anschaffte, die für ihn einen Gegenwert zu den aufgewandten Kosten darstellten.

Fahrstuhl

Die Ausstattung eines Einfamilienhauses mit einem Fahrstuhl und eine behindertengerechte Bauausführung (wie der Einbau breiter Türen, eines großen Bads etc.) führen daher grundsätzlich nicht zu außergewöhnlichen Belastungen. Dies gilt auch dann, wenn die Umgestaltung erst später vorgenommen wurde und das Gebäude bereits vor Eintritt der Behinderung von dem Steuerpflichtigen als Familienwohnung genutzt worden ist.[1]

Mehraufwendungen eines Steuerpflichtigen für die behindertengerechte Ausgestaltung seines neu errichteten Wohnhauses (z. B. durch Einbau eines Aufzugs, einer Bodendusche und Vergrößerung des Bads) sind nicht nach § 33 Abs. 2 EStG abziehbar, weil der Steuerpflichtige hierfür einen Gegenwert erhält. Denn die Einrichtungen sind nicht ausschließlich für den Behinderten nutzbar, sondern ebenso von jedem anderen Bewohner des Hauses.[2]

Auch für den nachträglichen Einbau eines Aufzugs in ein seit Längerem bewohntes, eigenes Einfamilienhaus gelten die gleichen Erwägungen, da auch in diesem Fall der Steuerpflichtige einen Gegenwert erhält.[3]

Gelockerte Rechtsprechung

Zwischenzeitlich ist der Bundesfinanzhof (BFH) von seiner kleinlichen Rechtsauffassung teilweise zugunsten der Steuerzahler abgerückt.[4] Nunmehr ist davon auszugehen, dass Mehraufwand, der auf einer behindertengerechten Gestaltung des individuellen Wohnumfelds beruht, stets so stark unter dem Gebot der sich aus der Situation ergebenden Zwangsläufigkeit steht, dass die Erlangung eines etwaigen Gegenwerts in Anbetracht der Gesamtumstände regelmäßig in den Hintergrund tritt. Es ist insbesondere nicht erforderlich, dass die Behinderung auf einem nicht vorhersehbaren Ereignis beruht und deshalb ein schnelles Handeln des Steuerpflichtigen oder seiner Angehörigen geboten ist. Auch die Frage nach zumutbaren Handlungsalternativen stellt sich in solchen Fällen nicht.

Fahrstuhl

So hat das FG Köln die Kosten für den Einbau eines Fahrstuhls als außergewöhnliche Belastungen anerkannt[5], wenn der Einbau eines Treppenliftes baurechtlich nicht möglich ist. Gegebenenfalls hat das Finanzgericht zu der Frage, welche baulichen Maßnahmen durch die Behinderung des Steuerpflichtigen oder eines seiner Angehörigen veranlasst sind, und zur Quantifizierung der darauf entfallenden Kosten, ein Sachverständigengutachten einzuholen.

Behindertengerechter Umbau

In einem anderen Fall wurden die Kosten des behindertengerechten Umbaus eines zuvor vollständig intakten und funktionsfähigen Badezimmers, das seit 19 Jahren nicht renoviert worden war, aufgrund der Erlangung eines Gegenwerts auch nicht als außergewöhnliche Belastung zum Abzug zugelassen. Für den BFH spielte es dabei keine Rolle, dass der Umbau ausschließlich deswegen erfolgt war, weil der an multipler Sklerose erkrankte und auf den Rollstuhl angewiesene Steuerpflichtige eine für Rollstuhlfahrer geeignete Dusche und eine entsprechende Toilette samt Waschmöglichkeit im Erdgeschoss des Hauses benötigte.[6] Ob die Entscheidung heute genauso ausfallen würde, muss bezweifelt werden.

Dies macht auch eine Entscheidung des FG Baden-Württemberg deutlich:[7]

Behindertendusche

Danach begründet eine schwerwiegende Behinderung des Steuerpflichtigen eine tatsächliche Zwangslage, die eine behindertengerechte Gestaltung des Wohnumfelds unausweichlich macht. Das Gericht hat die Kosten für einen behinderungsbedingten Umbau einer Dusche als außergewöhnliche Belastungen gem. § 33 EStG anerkannt, weil die Baukosten einen Bezug zur Krankheit oder Behinderung aufwiesen. Abzugsfähig sind nach den Ausführungen des FG die Mehraufwendungen, die durch die Behinderung des Steuerpflichtigen veranlasst und zur behindertengerechten Umgestaltung seines individuellen Wohnumfelds erforderlich sind.

Folgekosten

Abziehbar sind als notwendige Folgekosten auch die Aufwendungen für eine neue – längere – Tür, da ansonsten die Dusche nicht mehr bestimmungsgem...

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