Leitsatz

Von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte im Zusammenhang mit Rentennachzahlung gezahlte Zinsen gem. § 44 Abs. 1 SGB I unterliegen der Steuerpflicht nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG.

Dass mit der Zinszahlung Nachteile ausgeglichen werden sollen, die der Berechtigte durch die verspätete Zahlung der Sozialleistungen erleidet, steht dem nicht entgegen.

 

Normenkette

§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, § 44 SGB I

 

Sachverhalt

Die Kläger wurden im Streitjahr 1998 als Eheleute zusammen zur ESt veranlagt. Wegen eines im Januar 1984 erlittenen Verkehrsunfalls musste die Klägerin mit der BfA langwierige Auseinandersetzungen wegen einer Erwerbsunfähigkeitsrente führen.

Ab 01.11.1998 erhielt sie diese Rente bis längs­tens zur Vollendung des 65. Lebensjahrs von monatlich brutto 1 574,27 DM (netto 1 451,48 DM). Außerdem wurde ihr für den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zum 31.10.1998 eine Nachzahlung von insgesamt 128 687,89 DM zugesprochen. Ausweislich des Rentenbescheids war in diesem Betrag eine Zinsnachzahlung für den Zeitraum Februar 1992 bis August 1998 i.H.v. 14 346,59 DM enthalten.

Das FA berücksichtigte diese Zinsen bei der Veranlagung der Kläger für das Streitjahr 1998 als Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Einspruch, Klage (EFG 2005, 1610) und Revision hatten keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Der BFH folgte der Rechtsansicht der Kläger nicht, das FG habe bei den Zinszahlungen nach § 44 Abs. 1 SGB I nicht hinreichend berücksichtigt, dass es sich bei derartigen Zinszahlungen um einen speziellen und besonderen Fall des Nachteilsausgleichs für den Rentenberechtigten ohne Entgeltcharakter handle.

Nach dieser Vorschrift sind sozialversicherungsrechtliche Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit 4 % zu verzinsen. Nach der ­Vorstellung des Gesetzgebers, vgl. BT-Drucks. 7/868, 30, sollen mit den Zinszahlungen Nachteile ausgeglichen werden, die der Berechtigte, für den die sozialen Geldleistungen regelmäßig die Lebensgrundlage bilden, durch die verspätete Zahlung der Sozialleistungen erleidet. Sie werden insoweit für das unberechtigte Vorenthalten der Rentenbezüge und zum Ausgleich der mit der verspäteten Zahlung verbundenen Nachteile geleistet.

Gleichwohl handle es sich wirtschaftlich betrachtet zugleich um ein Entgelt für die verspätete Zahlung, d.h. für die Vorenthaltung von Kapital, sodass sie der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG unterlägen. Der BFH könne auch nicht dem Einwand der Kläger folgen, ein solches Ergebnis sei mit Sinn und Zweck des § 44 Abs. 1 SGB I nicht vereinbar. Zwar stellten die Zinsen einen pauschalierten Nachteilsausgleich aus sozialen Gründen (für Kreditaufnahme, Auflösung von Ersparnissen oder Einschränkung der Lebensführung) dar. Der sozialrechtliche Zweck der Zinsen ändere indes nichts an ihrer steuerrechtlich maßgebenden Funktion als Entgelt für die unfreiwillige Vorenthaltung der der Klägerin zustehenden Rentenbezüge.

Eine abweichende Beurteilung setzte voraus, dass der Gesetzgeber von der ihm zustehenden Befugnis Gebrauch gemacht hätte, die Erfassung derartiger Zinsen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen von vornherein auszuschließen, etwa durch Aufnahme in den Katalog der steuerfreien Einnahmen nach § 3 EStG.

Der BFH hat allerdings keineswegs die besondere Härte des Streitfalls angesichts der erheblichen Nachteile, die die Klägerin aufgrund des Verkehrsunfalls erlitten hat und des weiteren Umstands, dass sie aufgrund der Besteuerung der geballt angefallenen Zinsbeträge im Ergebnis wirtschaftlich schlechter gestellt sei als bei einer rechtzeitigen Zahlung der ihr zustehenden laufenden Rente übersehen. Über eine danach erkennbar naheliegende Billigkeitsmaßnahme könne der BFH aber aufgrund des Grundsatzes der Zweigleisigkeit des Verfahrens nicht im Streitverfahren wegen der ESt-Festsetzung entscheiden.

 

Hinweis

1. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH, dass derjenige Einnahmen aus Kapitalvermögen bezieht, wer Kapital zur Nutzung überlässt. Dazu gehören alle Vermögensmehrungen, die wirtschaftlich betrachtet Entgelt für eine Kapitalnutzung sind.

2. Ob die Überlassung des Kapitals freiwillig aufgrund eines Darlehensvertrags bzw. eines anderen Rechtsgrunds oder zwangsweise erfolgt, ist unerheblich. Ebenso kommt es nicht da­rauf an, ob die Auszahlung des Kapitals selbst steuerpflichtig ist; denn die fehlende Steuerbarkeit der Hauptleistung erstreckt sich nicht zugleich auf die Zinsen.

3. Auch eine vom Schuldner erzwungene Kapital­überlassung kann zu Einnahmen aus Kapitalvermögen führen. Dies hat der BFH wiederholt im Zusammenhang mit der Besteuerung von Erstattungs-, Prozess- und Verzugszinsen bestätigt.

4. Mit der Besprechungsentscheidung hält der BFH an dieser Rechtsprechung ausdrücklich fest. Er verweist auf eine Vielzahl früherer Entscheidungen, z.B. zu Zinsen, die im Zusammenhang mit steuerfreien Entschädigungen zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts g...

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