Leitsatz

1. Erstattungszinsen nach § 233a AO sind steuerbare Einnahmen aus Kapitalvermögen (Bestätigung der Rechtsprechung).

2. § 52a Abs. 8 Satz 2 EStG i.d.F. des JStG 2010, nach dem die materielle Norm (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG i.d.F. des JStG 2010) auch rückwirkend auf noch nicht bestandskräftige Steuerfestsetzungen anzuwenden ist, verstößt nicht gegen Verfassungsrecht.

 

Normenkette

§ 233a AO, § 12 Nr. 3, § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3, § 52a Abs. 8 Satz 2 EStG i.d.F. des JStG 2010

 

Sachverhalt

Das FG hatte der auf die Nichtbesteuerung der Erstattungszinsen gerichteten Klage stattgegeben (FG Münster, Urteil vom 10.5.2012, 2 K 1950/00 E, Haufe-Index 3274858). Es folgte dem noch zur ­alten Rechtslage ergangenen BFH-Urteil vom 15.6.2010, VIII R 33/07 (BFHE 230, 109, BStBl II 2011, 503, BFH/NV 2010, 1917; dazu Anmerkung BFH/PR 2010, 448).

 

Entscheidung

Auf die Revision des FA hob der BFH die Vorentscheidung auf und wies die Klage ab. Nach der Neuregelung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG seien Erstattungszinsen steuerbar. Die Vorschrift verstoße nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot.

 

Hinweis

1. Diese Entscheidung betrifft ein Nachhutgefecht zu einer bereits entschiedenen Rechtsfrage. Schon mit Urteil vom 12.11.2013, VIII R 36/10 (BFHE 243, 506, BStBl II 2014, 168, BFH/NV 2014, 606; dazu Anmerkung BFH/PR 2014, 159) hatte der VIII. Senat des BFH entschieden, dass nach der Neuregelung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG i.d.F. des JStG 2010Erstattungszinsen steuerbare Einnahmen aus Kapitalvermögen sind und dass diese Regelung nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot verstößt.

2. Hier geht es nur noch darum, sich mit einer neueren Entscheidung des BVerfG auseinanderzusetzen (Beschluss vom 17.12.2013, 1 BvL 5/08, BGBl I 2014, 255, BFH/NV 2014, 653), mit der das Gericht die Konturen des verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbots nachgeschärft hat.

a) Danach liegt eine konstitutiv rückwirkende Regelung immer dann vor, wenn der Gesetzgeber eine Rechtslage rückwirkend klärt, um nachträglich einer höchstrichterlich geklärten Auslegung des Gesetzes den Boden zu entziehen.

b) Konstitutiv rückwirkend ist eine Regelung aber auch dann, wenn die betroffene Auslegungsfrage noch nicht höchstrichterlich geklärt ist und die klärende Regelung eine fachgerichtliche Auslegung durch nachträglichen Zugriff auf einen abgeschlossenen Sachverhalt ausschließen soll.

c) Aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes sind echt rückwirkende belastende Gesetze grundsätzlich unzulässig.

d) Im Vertrauensschutzgrundsatz findet das Rückwirkungsverbot jedoch zugleich seine Grenze. Der Grundsatz der Unzulässigkeit echter Rückwirkung gilt daher ausnahmsweise nicht, wenn die Betroffenen mit einer Änderung einer unklaren und verworrenen Rechtslage rechnen mussten.

e) Dazu verweist das BVerfG (a.a.O. Rz. 79 ff.) auf zwei Beschlüsse (vom 21.12.2010, BVerfGE 126, 369 und vom 2.5.2012, BVerfGE 131, 20), in denen das Gericht jeweils rückwirkende Gesetzesänderungen als verfassungsgemäß beurteilt hat.

Das BVerfG sah das Vertrauen in ein geändertes Verständnis der alten Rechtslage, das durch eine Rechtsprechungsänderung des Bundessozialgerichts in Abweichung von der bis dahin in Rechtspraxis und Rechtsprechung gefestigten Rechtsauffassung herbeigeführt worden war, als von vornherein nicht gerechtfertigt an (vgl. BVerfGE 126, 369 [393 ff.]).

Entsprechendes gilt für den Fall, dass das Bundesverwaltungsgericht eine gefestigte Rechtspraxis zur Berechnung des Mindestruhegehalts bei Zusammentreffen von beamtenrechtlicher Versorgung und gesetzlicher Rente änderte. Die Korrektur dieser Rechtsprechung durch den Gesetzgeber bewertete das Bundesverfassungsgericht zwar als konstitutive Gesetzesänderung, stellte aber zugleich fest, dass sich ein hinreichend gefestigtes und damit schutzwürdiges Vertrauen in ein Verständnis der Rechtslage im Sinne des Bundesverwaltungsgerichts unter den gegebenen Umständen nicht habe entwickeln können (vgl. BVerfGE 131, 20 [41 ff.]). Auch hier bezieht sich die Entscheidung mithin auf eine besondere Situation, der sich der Gesetzgeber angesichts einer kurzfristigen Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu der bis dahin gefestigten Rechtspraxis gegenübersah.

f) Diese Maßstäbe sind auf § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG i.d.F. des JStG 2010 übertragbar, sodass kein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot gegeben ist.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 24.6.2014 – VIII R 29/12

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