Der BFH hat bereits im Jahr 2015 über steuerliche Auswirkungen einer sog. strukturierten Wertpapierleihe entschieden (BFH v. 18.8.2015 – I R 88/13, BStBl. II 2016, 961):

Im Sachverhalt ging es um einen Standard-Rahmenvertrag für Wertpapierdarlehen. Auf der Basis dieses Vertrags tätigten Verleiher – ein britisches Finanzinstitut – und Entleiher – ein deutsches Maschinenbauunternehmen – eine Reihe von Wertpapierleihgeschäften. Die jeweilige Vertragsdauer betrug 14 Tage und erstreckte sich über den Dividendenstichtag der verliehenen Aktien. Der Maschinenbauer als Entleiher vereinnahmte die Dividenden und kompensierte dies unmittelbar gegenüber dem verleihenden Finanzinstitut. Eine Ausübung von Aktionärsrechten durch das Maschinenbauunternehmen in Zusammenhang mit den ausgeliehenen Aktien war durch die Parteien nicht vorgesehen.

Der BFH hat dazu entschieden, dass eine Wertpapierleihe noch keinen Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an den Aktien bewirkt, wenn sie dem Entleiher lediglich eine formale zivilrechtliche Rechtsposition einräumt. Dies kann nach der Gesamtwürdigung aller Umstände der Fall sein, wenn der Entleiher

(1) im wirtschaftlichen Sinn nicht über die Dividenden aus den verliehenen Aktien verfügen kann,

(2) nicht die Stimmrechte auf der Hauptversammlung ausüben darf und zudem

(3) auch nicht das in den Aktien verkörperte Kapital wirtschaftlich nutzen soll, etwa zur Zwischenfinanzierung anderer Vorhaben.

In einem solchen Fall erlange der Entleiher lediglich eine "leere" zivilrechtliche Eigentumshülle, die steuerlich kein wirtschaftliches Eigentum begründe und daher auch keine Zurechnung der Dividenden rechtfertigen würde. Dividenden, die einem solch eine "leere" Eigentumshülle innehabenden Entleiher ausbezahlt werden, sind steuerlich nicht als Kapitalerträge i.S.d. § 8b KStG freigestellt. Offengelassen hat der BFH in dieser Entscheidung, ob die Übertragungsvorgänge nach Maßgabe des § 42 AO als rechtsmissbräuchlich anzusehen sind.

Beraterhinweis In Anbetracht dieses BFH-Urteils aus dem Jahr 2015 ist es überraschend, dass im BMF-Schreiben (alt) aus dem Jahr 2017 die Auffassung vertreten wurde, dass bei Cum/Cum-Transaktionen schwerpunktmäßig ein Gestaltungsmissbrauch gem. § 42 AO zu prüfen sei, ohne für die Prüfung der Frage des wirtschaftlichen Eigentums die in der BFH-Entscheidung dargestellten Kriterien für maßgeblich zu erklären.

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