1. Falsche Dienstbezeichnungen auf Warnwesten: "Land Schleswig-Holstein"

Vereinzelt versuchen Bundesländer, die genaue dienstliche Kennzeichnung der Steuerfahnder während der Durchsuchungsmaßnahme zu verschleiern, dennoch die Situation durch einen Hinweis auf die "Hoheitlichkeit" zu regeln bzw. zu entschärfen.

 

Beispiel

Die Steuerfahndung von Schleswig-Holstein trägt als Aufschrift ihrer Warnwesten "Land Schleswig-Holstein".

Obliegenheit der Kenntlichmachung: Dieses Vorgehen widerspricht den klaren und präzisen Vorgaben des BVerfG sowie des BGH unter Beachtung der gesetzlichen Anforderungen an rechtsstaatliches Handeln. Die Gerichtsbarkeit fordert die präzise, leicht wahrnehmbare und zuordnungsfähige Kennzeichnung von Ermittlungsbeamten, um dem Offenkundigkeitsprinzip der Durchsuchungsmaßnahme zu entsprechen. Bei Polizei, Zoll und Ordnungsbehörden ist dies leicht erkennbar, da sie Dienstkleidung tragen, die mit ihrer aufgedruckten Dienstfunktion aus sich heraus erkennbar ist. An der Durchsuchung teilnehmende "Zivilbeamte" tragen regelmäßig eine zusätzliche Armbinde oder Warnweste, die die dienstliche organisatorische Zuordnung erkennen lässt.

Steuerfahndung: Bei der Steuerfahndung entsteht das Kernproblem deshalb, weil auf eine Dienstkleidung verzichtet wird. Die Steuerfahndung tritt bei Durchsuchungsmaßnahmen mit ziviler Kleidung auf. Es ist richtig und wichtig, dass sich die Steuerfahndung Schleswig-Holstein in den maßgeblichen Fällen kennzeichnet, jedoch ist das gewählte Mittel so rechtsstaatlich falsch.

Denn das Bundesland ist nicht Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft, sondern eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und damit der Überbau der Behördenstrukturen. Die Bundesgesetze normieren mit §§ 152 GVG, 404 AO unmissverständlich, welche Organisationseinheit in Steuerstrafverfahren als Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft eingesetzt ist. Dies ist ausschließlich die Steuerfahndung und nicht das Bundesland als solches. Ausschließlich der Steuerfahndung und nicht dem Bundesland werden in Steuersachen die strafprozessualen Kompetenzen übertragen.

Beachten Sie: Daraus resultiert, dass Ministerialbeamte oder andere Beamte des Landes nicht als Ermittlungsbeamte der Staatsanwaltschaft an steuerstrafrechtlichen Ermittlungen teilnehmen dürfen.

Das derzeit eingesetzte Kleidungsstück darf allerdings auch von Ministerialbeamten oder anderen organisatorischen Einheiten des Landes getragen werden; eine klare Zuordnung ist nicht möglich. Die rechtsstaatlich geforderte Identifikation der Durchsuchungsbeamten ist so nicht möglich. Dieses Dilemma wird noch deutlich sichtbarer, wenn die Steuerfahndung aus Schleswig-Holstein in anderen Bundesländern Durchsuchungen durchführt. Landesbeamte von Schleswig-Holstein haben z.B. im Bundesland Niedersachsen zunächst keine direkte rechtsstaatliche Befugnis. Warum sollte ein in Niedersachsen wohnender Bürger einen örtlich und sachlich unzuständigen Beamten des Landes Schleswig-Holstein auf sein Grundstück, geschweige in seine Wohnung lassen; hier steht das Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG als Abwehrrecht zur Verfügung. Erst die konkrete Zuordnung der Landesbeamten zu einer strafprozessualen Funktion wie Staatsanwaltschaft und Polizei erweitert die Amtszuständigkeit über die Ländergrenzen hinaus. Der Polizei wird die Steuerfahndung durch § 404 AO gleichgestellt, weshalb sie in ihren Ermittlungen erst durch die bundesgesetzliche Funktionszuweisung eine örtliche Allzuständigkeit über den Anwendungsbereich des § 388 AO erhält (vgl. dazu Hilgers-Klautzsch in Kohlmann, § 388 AO Rz. 3 [57. Lfg. 2017]). Das Land Schleswig-Holstein als solches erhält diese Kompetenz so nicht.

Ob der Aufdruck überhaupt mit § 132a Abs. 1 StGB vereinbar ist, mag bezweifelt werden; wegen der Komplexität der Rechtsfrage kann dies hier allerdings nicht weiter untersucht werden.

Zusammenfassend kann der Obliegenheit der Kenntlichmachung nur dann genüge getan werden, wenn die gesetzliche Funktionszuordnung des Ermittlungsbeamten genutzt wird, die sich aus §§ 152 GVG, 404 AO entweder als "Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft" oder noch präziser als "Steuerfahndung" darstellt. Nur diese Bezeichnungen stehen in Übereinstimmung mit dem Dienstausweis und bei der Steuerfahndung mit der Dienstmarke.

2. Ausrichtung am Einzelfall

a) Abwägungsgrundsätze

Wie bereits dargelegt, ist die rechtlich bestehende Offenbarungsbefugnis und die teilweise Obliegenheit zur Kenntlichmachung als Steuerfahndung in Konkordanz mit dem Steuergeheimnis zu sehen, weshalb der konkrete Einzelfall maßgeblich ist. Allerdings lassen sich pauschalierend Situationen herauskristallisieren, in denen eine Offenbarung zu unterbleiben hat, in denen eine solche zulässig und in denen diese sogar vorgeschrieben ist.

Bei den weiteren rechtlichen abwägenden Überlegungen darf das informationelle Selbstbestimmungsrecht wegen seines schützenden Abwehrcharakters nicht vollständig oder pauschal zurückgedrängt werden; zumindest der Kernbereich des Grundrechts muss dem Grunde nach erhalten bleiben.

Beraterhinweis Im Zuge der Konkordanz muss also stets zunächst gefragt werden, ob bei der Maßn...

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