Medienwirksame Steuerhinterziehungen: Durchsuchungsmaßnahmen sind an zahlreiche Formvorschriften gekoppelt, die auch in Steuerstrafverfahren zu beachten sind. Ungeregelt geblieben ist jedoch die Rechtsfrage, ob und wie sich die Vollstreckungsbeamten[1] der Finanzverwaltung bei solchen Durchsuchungen äußerlich kenntlich machen dürfen oder sogar müssen.

Diese Rechtsfrage erfährt deshalb zunehmend an Bedeutung, weil sich die Rahmenbedingungen bei den Ermittlungen zu Steuerstraftaten ändern. Das öffentliche Interesse an der Verfolgung von Steuerhinterziehungen ist deutlich angestiegen, wodurch hierzu immer mehr im Fernsehen und in den (Online)Medien berichtet wird. Beispiele: Uli Hoeneß, Alfons Schuhbeck

Es gibt auch zunehmend das Bestreben von Print- und Fernsehmedien, bereits während der Durchsuchungsmaßnahmen vor Ort zu sein und Bild und Tonmaterial zu erstellen. Beispiele: Klaus Zumwinkel[2] oder China-Restaurants[3]

In dem Kontext ist auch zu beachten, dass sich die Art und Weise der Ermittlungsmaßnahmen bei Steuerhinterziehung verändern, da sich die Herkunft der Täter und die Struktur der Organisation der Täterkreise sukzessive verändern. Beispiele: Ermittlungen in der organisierten Kriminalität, Clankriminalität, Gewaltbereitschaft von männlichen Tätern.

Die in der Vergangenheit vielfach als "Weiße-Kragen-Kriminalität" bezeichnete Steuerhinterziehung von wohl situierten Personen treten zunehmend in den Hintergrund.

Sicherheitsanalyse: Um die Ermittlungsbeamten der Steuerfahndung und der Staatsanwaltschaft zu schützen, führt der leitende Ermittler der Steuerfahndung in seiner Vorbereitung eine Sicherheitsanalyse durch.

 

Beispiele

Vorstrafen, Auffälligkeiten gegenüber anderen Behörden, Verstrickungen in familiäre Konstrukte, Erkenntnisse aus Vorprüfungen wie Drohungen, robustes verbales Auftreten gegenüber Betriebsprüfern

Sind vor allem Erkenntnisse zu Körperverletzungen, ernstzunehmenden Bedrohungen, Clan-Verstrickungen, organisierte Kriminalität – wie z.B. auch bei Rocker-Clubs – vorhanden, werden in Abhängigkeit der Bundesländer vielfach die Ermittlungsmaßnahmen nicht mehr alleine durchgeführt. Vielmehr werden Ordnungsämter, Polizei und/oder Zoll bei der Durchsuchung eingebunden. Diese Einbindung geschieht nicht nur aus ermittlungstaktischen Gründen bei gesetzesübergreifenden Sachverhalten, sondern dient vor allem auch der Absicherung der Finanzbeamten.

Probleme mangelnder Identifizierbarkeit von Finanzbeamten für Beamte anderer Dienststellen: Die Partnerdienststellen sind bei diesen kombinierten Maßnahmen vielfach im besten Falle verwundert, teilweise aber auch verärgert, wenn Steuerfahndung sowie Strafsachen- und Bußgeldstelle zu äußerlich nicht sofort und eindeutig identifizierbar sind. Aufgrund praktischer Erfahrungen birgt diese Situation nicht nur organisatorische Unsicherheiten bzw. Reibungsverluste in sich, sondern es entstehen auch im schlimmsten Falle bedrohliche Situationen, weil bewaffnete Polizei- oder Zollmitarbeiter das berechtigte Betreten der eingesetzten Finanzbeamten in abgesperrte und geschützte Bereiche nicht sofort erkennen können. Diese mangelnde Identifizierbarkeit der Finanzbeamten wird ihnen auch bei Durchsuchungsmaßnahmen im öffentlichen Raum – wie z.B. bei Gastronomie, Einzelhandelsgeschäften usw. – zum Verhängnis, indem sich Kunden mit dem Beschuldigten solidarisieren und gegen die Durchsuchungsbeamten in Ermangelung der Kenntnis um deren hoheitliche Tätigkeit angehen oder die Kunden die Polizei unnötigerweise hinzuziehen.

 

Beispiele

(1) Bei der Durchsuchung eines größeren gewerblichen Lagers glaubten die Mitarbeiter zunächst an eine Situation, in der der beschuldigte Unternehmer unbedingt Hilfe benötigt. Es gab von Ihnen einen Anruf bei der Polizei; diese musste nach deren Eintreffen erst über die Maßnahme der Steuerfahndung aufgeklärt werden.

(2) Bei der Durchsuchung eines Restaurants umringten und bedrängten viele aufgebrachte Gäste die leitende Steuerfahnderin, da sie die Hoheitlichkeit der Maßnahme nicht erkannten.

Verstoß gegen das Steuergeheimnis bei Kenntlichmachung?: Diese Situationen könnten weitestgehend vermieden werden, wenn sich die Finanzbeamten äußerlich während ihres Einsatzes als Steuerfahndung oder Strafsachen- und Bußgeldstelle erkennen geben könnten. Allerdings vertritt ein Teil der Ministerialbürokratie immer noch die Rechtsauffassung, die äußere Kenntlichmachung der Dienststelle sei nicht durch § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO gedeckt; vielmehr müsse die Steuerfahndung anonym tätig sein, ohne dass Außenstehende einen Rückschluss ziehen könnten.

Ob dies tatsächlich so der Fall ist, wird nachfolgend umfassend untersucht. Zudem soll im 2. Teil des Aufsatzes, der demnächst im AO-StB erscheinen wird, herausgearbeitet werden, wie die Offenbarungsmöglichkeit verhältnismäßig und zielgerichtet ausgeübt werden kann.

[1] In der Steuerfahndung, der Staatsanwaltschaft sowie der Strafsachen- und Bußgeldstelle sind neben vielen Beamtinnen auch Beamte eingesetzt. In den nachfolgenden Überlegung...

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