a) Abwägungsgrundsätze

Wie bereits dargelegt, ist die rechtlich bestehende Offenbarungsbefugnis und die teilweise Obliegenheit zur Kenntlichmachung als Steuerfahndung in Konkordanz mit dem Steuergeheimnis zu sehen, weshalb der konkrete Einzelfall maßgeblich ist. Allerdings lassen sich pauschalierend Situationen herauskristallisieren, in denen eine Offenbarung zu unterbleiben hat, in denen eine solche zulässig und in denen diese sogar vorgeschrieben ist.

Bei den weiteren rechtlichen abwägenden Überlegungen darf das informationelle Selbstbestimmungsrecht wegen seines schützenden Abwehrcharakters nicht vollständig oder pauschal zurückgedrängt werden; zumindest der Kernbereich des Grundrechts muss dem Grunde nach erhalten bleiben.

Beraterhinweis Im Zuge der Konkordanz muss also stets zunächst gefragt werden, ob bei der Maßnahme eine breite Offenbarung der dienstlichen Herkunft der Durchsuchungsbeamten rechtlich und sachlich geboten ist, oder ob hiervon zugunsten des Beschuldigten oder des Dritten abzusehen ist.

b) Keine Offenbarung

Die Notwendigkeit einer Kenntlichmachung orientiert sich an dem Bedürfnis der körperlichen Unverletzlichkeit sowie der Zweck- bzw. zielgerichteten Organisation der strafprozessualen Maßnahme. Kann in dem Zusammenhang die Durchsuchungsmaßnahme aufgrund einer vorab erstellten Prognose ohne ein Aufdecken der dienstlichen Funktion gegenüber der Öffentlichkeit sicher und erfolgreich durchgeführt werden, überlagert der Schutzbereich des informationellen Selbstbestimmungsrechts mit seinem Steuergeheimnis die strafprozessualen Verfahrensvorschriften.

Eine solche Situation wird immer dann vorliegen, wenn das zu betretende Grundstück oder Haus leicht und gut einsehbar ist, die Lichtverhältnisse eine schnelle und richtige Identifizierung der ankommenden Steuerfahnder seitens der von der Durchsuchungsmaßnahme betroffenen Person ermöglicht, die Durchsuchungssituation räumlich und/oder persönlich überschaubar ist und keine signifikante Kommunikation mit unmittelbar und/oder mittelbar beteiligten Behörden oder Menschenansammlungen notwendig ist.

 

Beispiel:

Im Hellen wird ein gut einsehbares Grundstück mit Einzelhaus oder der Hausflur eines Mehrparteienhauses betreten, bei dem die Haustür schnell und unkompliziert erreichbar ist. Weitere Behörden sind nicht eingebunden.

In solchen Situationen droht vielfach keine Konfrontation mit Dritten oder es sind keine organisatorischen Belange betroffen, um die Abstimmung mit anderen Dienststellen zu ermöglichen. Die so ausgeübte Konkordanz verhindert damit eine unverhältnismäßige Preisgabe von Daten und Informationen gegenüber unbeteiligten Dritten. Solche Fallkonstellationen stellen eher die Regel der Steuerfahndung dar und machen wohl die Mehrheit der Maßnahmen aus.

Beraterhinweis Diese vorab getroffene Prognoseentscheidung hat allerdings nicht zwingend dauerhaft Bestand; werden andere Rahmenbedingungen angetroffen oder verändert sich die Situation während der Maßnahme, kann eine neue Einschätzung und Entscheidung erforderlich werden.

c) Offenbarungsbefugnis durch Ermessensentscheidung

Sobald jedoch im Zuge der Vorbereitung der Durchsuchungsmaßnahme die Funktions- oder Durchführungsfähigkeit des verfassungsrechtlich gebotenen strafprozessualen Ermittlungsverfahrens (vgl. Matthes in BeckOK, § 30 AO Rz. 98 [10/2022]) sicherzustellen ist, entsteht aufgrund der herausgearbeiteten Ergebnisse die rechtliche Befugnis zur Offenbarung.

Das Ergebnis der Konkordanz schlägt damit zugunsten einer Kenntlichmachung als Steuerfahndung um, wenn während der Durchsuchungsmaßnahme die Offenbarung aus organisatorischen Gründen notwendig wird, um den reibungslosen, sicheren und geschützten Ablauf der Maßnahme sicherzustellen.

Gefährdungsprognose: Diese Einstufung ist während der Vorbereitung zu prüfen, bei der die Eigen- und Fremdsicherung einzubeziehen ist; es ist im Zuge der Konkordanz eine ermessensgerechte Prognose anzustellen (vgl. Alber in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 30 AO Rz. 151 [11/2022]).

Beraterhinweis In diese Prognose sind alle bekannten Erkenntnisse des Einzelfalles einzubeziehen und abzuwägen. Soll das Steuergeheimnis durch eine Kenntlichmachung durchbrochen werden, ist die Entscheidung kurz und pointiert mit den wesentlichen Entscheidungsgründen zu verschriftlichen. Nur so kann ein Rechtfertigungsgrund i.S.d. §§ 355 StGB, 30 Abs. 4 Nr. 1 AO sicher nachgehalten werden.

Aufgrund der anzustellenden Prognose ist diese zweckgebundene Offenbarung immer dann zulässig, wenn das strafprozessuale Ermittlungsverfahren dadurch erst ermöglicht und/oder sachdienlich gefördert wird. Sobald die Prognose positiv zugunsten einer Offenbarung ausfällt, kann die dienstliche Kenntlichmachung angeordnet werden. Bei der Erstellung der Prognose müssen sorgfältig die bekannten Tatsachen geprüft werden, jedoch sind an die Entscheidung keine überspannten Anforderungen zu stellen. Es reicht vielmehr eine abstrakt begründbare Gefahrlage, bei der es während der Durchsuchungsmaßnahme in Ermangelung eines offenen Agierens der Steuerfandung zu organisatorischen oder strukturellen Störungen kommen könnte...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge