LfSt Niedersachsen, 12.12.2019, S 7155 - 83 - St 186

Zweifelsfragen aus der Praxis zum Anwendungsbereich der Vorschrift

 

1. Allgemeines

Der EuGH hat mit Urteil vom 4. Mai 2017 entschieden, dass nach Artikel 148 Buchstabe d MwSt-SystRL nicht nur Dienstleistungen im Bereich des Beladens und Entladens eines Schiffes im Sinne von Artikel 148 Buchstabe a MwStSystRL steuerfrei sein können, die auf der letzten Handelsstufe einer solchen Dienstleistung erbracht werden, sondern auch auf einer vorausgehenden Handelsstufe erbrachte Dienstleistungen, wie etwa eine von einem Unterauftragnehmer an einen Auftraggeber, die dieser dann einem Speditions- oder Transportunternehmen weiter berechnet.

Die Verwaltung hat diese Rechtsprechung mit BMF-Schreiben vom 6. Oktober 2017 übernommen und Abschn. 8.1 Abs. 1 und Abs. 7 UStAE entsprechend angepasst. Die Grundsätze sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Für bis zum 31. Dezember 2017 erbrachte Umsätze ist eine Nichtbeanstandungsregelung getroffen worden.

Mit BMF-Schreiben vom 5. September 2018 wurde das BMF-Schreiben vom 6. Oktober 2017 angepasst. Danach gilt grundsätzlich, dass sich aus dem Nachweis der Zweckbestimmung ergeben muss, für welches konkrete, eindeutig identifizierbare (bereits vorhandene) Seeschiff die Leistung erbracht wird. Weiterhin ist definiert worden, ab welchem Zeitpunkt ein Wasserfahrzeug frühestens vorhanden ist. Abschn. 8.1 UStAE ist entsprechend geändert worden. Die Grundsätze sind in allen offenen Fällen anzuwenden.

Mit BMF-Schreiben vom 18. Juni 2019 wurden die getroffenen Regelungen erneut überarbeitet. Neben der aktualisierten Bestimmung, ab welchem Zeitpunkt ein Wasserfahrzeug vorhanden ist, wurde geregelt, dass bezüglich der Inhalte des BMF-Schreibens vom 5. September 2018 keine Rechnungsberichtigungen für das Jahr 2018 und das erste Halbjahr 2019 erforderlich sind.

 

2. Zeitpunkt des „Vorhandenseins” eines Wasserfahrzeuges

Nach aktualisierter Rechtsauffassung im BMF-Schreiben vom 18. Juni 2019 ist gemäß geändertem Abschn. 8.1. Abs. 2 S. 2 UStAE ein Wasserfahrzeug ab dem Zeitpunkt seiner Abnahme durch den Besteller als „vorhanden” anzusehen. Dieser Grundsatz ist auf alle zum Zeitpunkt der Erteilung des BMF-Schreibens offenen Fälle anzuwenden.

Mit gleichem BMF-Schreiben wurde eine Nichtbeanstandungsregelung getroffen. Für vor dem 1. Juli 2019 ausgeführte Umsätze wird es nicht beanstandet, wenn die bisher geltende Rechtslage zu Abschn. 8.1 Abs. 1 und Abs. 2 UStAE angewendet wird.

Diese lautete wie folgt:

  • Gemäß Abschn. 8.1. Abs. 2 S. 2 UStAE ist ein Wasserfahrzeug frühestens ab dem Zeitpunkt seines (klassischen) Stapellaufs oder seines Aufschwimmens im Trockendock als „vorhanden” anzusehen.

    Allein dieser Zeitpunkt ist für die Anwendung der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 2i. V. m. § 8 Abs. 1 UStG entscheidend. Ein Wahlrecht für den Unternehmer, ab welchem alternativen (späteren) Zeitpunkt die Vorschrift anzuwenden ist, besteht nicht. Die Formulierung „frühestens” dient nicht der Funktion, ein Wahlrecht zu schaffen. Sie soll verhindern, dass die Steuerbefreiung für vorgelagerte Umsätze angewendet wird, die nicht in Zusammenhang mit der Fertigung eines begünstigten Seeschiffs stehen.

    Unerheblich für das Vorhandensein eines Wasserfahrzeuges ist daher, dass mit dem Aufschwimmen im Trockendock das Seeschiff noch nicht fertig ist, weil z. B. noch erhebliche Arbeiten im Innenausbau bis zur Ablieferung auszuführen sind. Ursächlich hierfür sind die zollrechtlichen Vorschriften, die für die Einordnung eines Schiffes als begünstigtes Schiff ebenfalls maßgeblich sind (vgl. Abschn. 8.1 Abs. 2 S. 1 2. Hs. UStAE). Hiernach fallen unter den Begriff des Wasserfahrzeuges nicht nur vollständige betriebsfähige Wasserfahrzeuge, sondern auch unvollständige oder unfertige Fahrzeuge, wenn sie im vorliegenden Zustand die wesentlichen Beschaffensmerkmale der vollständigen oder fertigen Ware haben.

    Der spätere Zeitpunkt der Durchführung des 1. Probelaufes oder die Ablieferung des Schiffes sind aus den o. g. Gründen für das „Vorhandensein” eines Wasserfahrzeuges ohne Bedeutung.

 

3. Umsätze für die Seeschifffahrt – Vorstufenumsätze –

Aufgrund der Vorstufenbefreiung (vgl. Tz. 1) können auch Leistungen unter die Steuerbefreiung i. S. d. § 4 Nr. 2i. V. m. § 8 Abs. 1 UStG fallen, die nicht unmittelbar an den Betreiber eines Seeschiffes, sondern auf einer vorhergehenden Stufe erbracht werden, soweit sich bereits aus der betreffenden Lieferung oder sonstigen Leistung selbst ergibt, dass diese ihrer Art nach unmittelbar mit dem Bedarf von begünstigten Schiffen verknüpft ist. Es kommt hierbei maßgeblich darauf an, das im Zeitpunkt dieser Leistung deren endgültige Verwendung für den Bedarf des Seeschiffes feststeht und die endgültige Zweckbestimmung der Leistung nicht erst durch besondere Kontroll- und Überwachungsmechanismen nachvollziehbar ist (vgl. Abschn. 8.1 Abs. 1 S. 3 UStAE). Zu den Nachweispflichten des leistenden Unternehmers vgl. Tz. 4.

 

3.1 Leistungen für die Herstellung bzw. Leistungen währen...

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