Erhält die Finanzbehörde eine Korrekturerklärung im Zusammenhang mit bislang nicht deklarierten Gewinnen aus virtuellen Währungen und sonstigen Token, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die entsprechende Erklärung der Straf- und Bußgeldsachenstelle zugeleitet wird (vgl. zur aktuellen Praxis Franke-Roericht, PStR 2022, 215). Dies gilt unabhängig von der formellen Bezeichnung des Schreibens (als Selbstanzeige, Anzeige nach § 153 AO, vorsorgliche Offenlegung usw.) wegen Nr. 132 Abs. 1 AStBV (St). Im Zweifel sollte unterstellt werden, dass die Straf- und Bußgeldsachenstelle ein Ermittlungsverfahren einleiten wird – vgl. Nr. 11 AStBV (St). In nahezu jedem Fall ist daher im Vorfeld der Abgabe einer Korrekturerklärung erforderlich, sich mit den möglichen steuerstrafrechtlichen Risiken zu beschäftigen. Insb. stellt sich die Frage, ob – ggf. vorsorglich – die Voraussetzungen einer straf- oder zumindest bußgeldbefreienden Selbstanzeige geschaffen werden können.

Gebot der Vollständigkeit bei der Selbstanzeige: Wurden in der Vergangenheit Gewinne aus virtuellen Währungen und sonstigen Token überhaupt nicht der Versteuerung unterworfen, wird die Finanzbehörde regelmäßig von einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung ausgehen.[6] Dann kommt es auf die Voraussetzungen des § 371 AO (und ggf. § 398a AO) zwingend an, um Straffreiheit zu erlangen. Dazu ist aufgrund des Vollständigkeitsgebots (§ 371 Abs. 1 S. 1 AO) unbedingt erforderlich, dass mit der Offenlegung nicht nur (wie für Zwecke des § 153 AO ausreichend) die Unrichtigkeit der betroffenen Erklärungen angezeigt wird. Vielmehr sind bereits mit der Offenlegung die unrichtigen Angaben vollständig zu berichtigen, und zwar im zeitlichen Umfang des § 371 Abs. 1 S. 2 AO.

In Fällen, in denen zwar grundsätzlich Einkünfte aus virtuellen Währungen und sonstigen Token deklariert wurden, jedoch nicht vollständig oder in nicht zutreffender (d.h. zu niedriger) Höhe, ist tendenziell eher davon auszugehen, dass die Finanzbehörde ein ursprünglich undoloses Verhalten und einen Fall des § 153 Abs. 1 AO annimmt.

Beraterhinweis Aus Gründen größtmöglicher Vorsicht sollte jedoch regelmäßig nach Möglichkeit auch in diesen Fällen die Offenlegung von vorherein so ausgestaltet sein, dass sie die Voraussetzungen des § 371 AO erfüllt; d.h. die Erklärung sollte auch Angaben zu den Bemessungsgrundlagen umfassen.

Sperrgründe: Vor allem bei im Betriebsvermögen gehaltenen Einheiten virtueller Währungen oder sonstiger Token ist zu beachten, dass die Selbstanzeige (für einzelne VZ) wegen Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung nach § 196 AO gesperrt sein kann (§ 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 lit. a AO). Im Hinblick auf die Sperrgründe halten wir es ferner für sehr wahrscheinlich, dass zukünftig insb. über das Vorliegen des Sperrgrunds der Tatentdeckung nach § 371 Abs. 2 S. 2 AO viel diskutiert werden wird. So erscheint es uns – analog zu den CD-Ankäufen deutscher Finanzbehörden hinsichtlich im Ausland erzielter Kapitaleinkünfte – naheliegend, dass der Fiskus derartige Aktivitäten zukünftig auch in Richtung im Ausland belegener Kryptobörsen entfalten wird.[7] Tatentdeckungen drohen auch aus der Durchführung des Allgemeinen Informationsaustausches (AIA bzw. CRS) mit anderen Staaten. Diese Entdeckungsrisiken werden in naher Zukunft vor dem Hintergrund der Entwicklungen auf OECD- (Crypto-Asset Reporting Framework, "CARF") und EU-Ebene (DAC-8) weiterhin zunehmen (vgl. Arendt, NWB 2022, 1214).

[6] Das Argument, der objektive Tatbestand des § 370 Abs. 1 AO sei mangels Unrichtigkeit aufgrund eines nicht vorhandenen Empfängerhorizonts der Finanzbehörde nicht erfüllt, wird zumindest gegenüber der Finanzbehörde nach unserer Einschätzung kaum Gehör finden.
[7] In diese Richtung auch Vertreter des BMF im Rahmen des 3. Steuerforums der Finanzverwaltung v. 13.9.2022, die Datenträger-Ankäufe als eine Möglichkeit der Sachverhaltsaufklärung und -verifikation darstellten.

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