Rz. 47.4

[Autor/Stand] Der Vorlagebeschluss des BFH vom 17.12.2014[2] ist teilweise inhaltsgleich mit BFH-Beschluss vom 22.10.2014,[3] mit dem die Vorschriften über die Einheitsbewertung ebenfalls dem BVerfG zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit vorgelegt wurden. Das Verfahren ist beim BVerfG unter dem Aktenzeichen 1 BvL 11/14 anhängig.

 

Rz. 47.5

[Autor/Stand] Der BFH hält die Vorschriften über die Einheitsbewertung (spätestens) ab dem Bewertungsstichtag 1.1.2009 für verfassungswidrig, weil die Maßgeblichkeit der Wertverhältnisse am Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.1964 für die Einheitsbewertung zu Folgen führt, die mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht mehr vereinbar sind. Nach Auffassung des BFH sind die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens für Stichtage bis zum 1.1.2007 noch verfassungsgemäß.[5] Nach Auffassung des BFH kommt für die Feststellung des Verfassungsverstoßes (hier: gegen den allgemeinen Gleichheitssatz) dem Zusammenspiel zwischen dem Einzelsteuergesetz, welches den Belastungserfolg unmittelbar bewirkt, und den Bewertungsvorschriften maßgebliche Bedeutung zu. Für die Einheitsbewertung kommt es danach in verfassungsrechtlicher Hinsicht auf den Belastungserfolg an, den die festgestellten Einheitswerte als Bemessungsgrundlage im Rahmen der Festsetzung der Grundsteuer bewirken. Die Verfassungswidrigkeit der Anknüpfung der Einheitswerte an die Wertverhältnisse am 1.1.1964 könne allerdings nicht allein darauf gestützt werden, dass sich die Grundstückswerte seither von Land zu Land und von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich entwickelt haben. Da es sich bei der Grundsteuer um eine Gemeindesteuer handelt, deren Höhe nicht nur von den Einheitswerten, sondern auch von dem von der jeweiligen Gemeinde festgesetzten Hebesatz abhängt, beziehen sich die Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes lediglich auf das Gebiet der einzelnen Gemeinden.[6] Verfassungsrechtlich komme es entscheidend darauf an, ob es durch den Verzicht auf weitere Hauptfeststellungen nach Anzahl und Ausmaß zu dem Gleichheitssatz widersprechenden Wertverzerrungen bei den Einheitswerten solcher Grundstücke gekommen ist, die innerhalb des Gebiets der jeweiligen Städte und Gemeinden belegen sind. Gewichtige verfassungsrechtlich bedeutsame Wertverzerrungen ergeben sich aufgrund der Systematik der Bewertungsvorschriften u.a. jeweils aus der Nichtberücksichtigung der Entwicklung des Bauwesens nach Bauart, Bauweise, Konstruktion, Objektgröße, der wesentlichen Ausstattungsmerkmale, der städtebaulichen Entwicklungen und Veränderungen am Wohnungsmarkt sowie des Ausschlusses einer Wertminderung wegen Alters und Defizite im Gesetzesvollzug auch im Hinblick auf die Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen den Wertverhältnissen und tatsächlichen Verhältnissen. Der BFH betont, dass auch in den neuen Ländern eine erneute Hauptfeststellung geboten sei.

 

Rz. 47.6

[Autor/Stand] Der Ausgang des Verfahrens wird mit Spannung erwartet. Sollte das BVerfG zu Ergebnis kommen, dass die Bemessung der Grundsteuer mit dem Grundgesetz wegen eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz nicht vereinbar ist, steht der Gesetzgeber vor der Aufgabe, für bundesweit rund 35 Mio. wirtschaftliche Einheiten neue Bemessungsgrundlagen zu finden. Anschließend muss die Finanzverwaltung die Herausforderung bewältigen, das Massenverfahren umzusetzen.

 

Rz. 47.7

[Autor/Stand] Die Entscheidung wird auch deshalb mit Spannung erwartet, weil das BVerfG erst mit Beschluss vom 23.6.2015[9] entschieden hat, dass § 8 Abs. 2 GrESt mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist. Dabei ging es um die Frage, ob die Grunderwerbsteuer in bestimmten Fällen nach einer Ersatzbemessungsgrundlage nach Maßgabe der §§ 138 ff. BewG erhoben werden darf. Das BVerfG hat dies verneint. Eine gleichmäßige Belastung der Steuerpflichtigen verlange, dass für die von einer Steuer erfassten Wirtschaftsgüter eine Bemessungsgrundlage gefunden wird, die deren Werte in ihrer Relation realitätsgerecht abbildet. Bringt der Gesetzgeber zur Bemessung der Steuer neben einem Regelbemessungsmaßstab einen Ersatzmaßstab zur Anwendung, müsse dieser, um dem Grundsatz der Lastengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) zu genügen, Ergebnisse erzielen, die denen der Regelbemessungsgrundlage weitgehend angenähert sind. Nach der Entscheidung des BVerfG genügt die Ersatzbemessungsgrundlage des § 8 Abs. 2 GrEStG in Verbindung mit §§ 138 ff. BewG diesem Anspruch nicht.

 

Rz. 47.8

[Autor/Stand] Besonders bedeutsam ist, dass das BVerfG die Entscheidung rückwirkend getroffen hat. Das bisherige Recht ist nur noch bis zum 31.12.2008 weiter anwendbar. Der Gesetzgeber war verpflichtet, spätestens bis zum 30.6.2016 rückwirkend zum 1.1.2009 eine Neuregelung zu treffen. Diese ist bereits mit dem Steueränderungsgesetz 2015[11] realisiert worden. Inhaltlich erfolgt die Umsetzung der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts durch eine Änderung des § 8 Abs. 2 GrEStG. Nunmehr wird zur Ermittlung der Ersatzbemessungsgrundlage auf die §§ 157 ff...

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