Rz. 81

[Autor/Stand] Sofern der Nutzer des Gebäudes auf fremdem Grund und Boden verpflichtet ist, das Gebäude bei Ablauf des Nutzungsrechts zu beseitigen, kann dies bei der Grundsteuerbewertung konkrete Folgen für die Bewertung der wirtschaftlichen Einheit in Form des Gebäudes auf fremdem Grund und Boden einschließlich des dazugehörigen Grund und Bodens haben. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen der Abbruchzeitpunkt vor dem Ablauf der typisierten wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes liegt. Die typisierte wirtschaftliche – und damit grds. maßgebende – Gesamtnutzungsdauer ergibt sich aus Anlage 38 zum BewG.

 

Rz. 82

[Autor/Stand] Im Ertragswertverfahren ist beim Ansatz der pauschalierten (gesetzlichen) Bewirtschaftungskosten nach Anlage 40 zum BewG zur Ermittlung des jährlichen Reinertrags sowie des Vervielfältigers nach Anlage 37 zum BewG zur Kapitalisierung des jährlichen Reinertrags die Restnutzungsdauer zugrunde zu legen, die sich unter Ansatz der auf volle Jahre abgerundete Restlaufzeit des Nutzungsrechts ergibt. Das gilt auch für den Ansatz des Abzinsungsfaktors nach Anlage 41 zum BewG, mit dem der Bodenwert abgezinst wird. Die Regelung zur Mindestrestnutzungsdauer (vgl. § 253 Abs. 2 Satz 5 BewG sowie die dazugehörige Kommentierung) dürfte – mit Blick auf die entsprechenden Regelungen bei der Grundbesitzbewertung[3] – in den Fällen, in denen eine Abrissverpflichtung besteht, generell nicht anzuwenden sein. Dies wäre aus meiner Sicht konsequent, da die Restnutzungsdauer aufgrund der Abrissverpflichtung tatsächlich beschränkt ist. Die Verwaltungsanweisungen enthalten hierzu in A 262 AEBewGrSt leider keine expliziten Ausführungen, es dürften aber die allgemeinen Grundsätze der Verkürzung der Restnutzungsdauer bei bestehender Abbruchverpflichtung gelten (vgl. A 253.1 Abs. 5 AEBewGrSt sowie die Kommentierung zu § 253 BewG).

 

Rz. 83

[Autor/Stand] Im Sachwertverfahren bemisst sich in Fällen einer Abrissverpflichtung die Alterswertminderung bei der Ermittlung des Gebäudesachwerts gemäß § 259 Abs. 4 Satz 5 BewG nach dem Alter des Gebäudes am Bewertungsstichtag und der tatsächlichen Gesamtnutzungsdauer. Die typisierte wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer nach Anlage 38 zum BewG ist in diesen Fällen ebenso wie die Regelung zum Mindestrestwert i.S.d. § 259 Abs. 4 Satz 4 BewG unbeachtlich.

 

Rz. 84

 

Beispiel 1:

Ein Lagergebäude (Lagergebäude ohne Mischnutzung, Kaltlager) ist im Rahmen der Hauptfeststellung auf den 1.1.2022 zu bewerten. Das Gebäude wurde im Rahmen eines Nutzungsrechts auf fremdem Grund und Boden errichtet und wird in vollem Umfang zu eigenen betrieblichen Zwecken genutzt. Das gepachtete Grundstück ist 3.200 m[2] groß; der Bodenrichtwert auf den 1.1.2022 beträgt 50 EUR/m[2]. Das Gebäude wurde am 1.1.2000 fertig gestellt. Die Restlaufzeit des Nutzungsrechts beträgt im Hauptfeststellungszeitpunkt noch acht Jahre und endet mit Ablauf des 31.12.2029. Das Gebäude ist bei Beendigung des Nutzungsrechts zu beseitigen. Die Brutto-Grundfläche des Gebäudes beträgt 2.500 m[2]. Der Baupreisindex für Nichtwohngebäude beträgt im Hauptfeststellungzeitpunkt 148,6 %[5].

Das Lagergebäude wurde von einem anderen als dem Eigentümer des Grund und Bodens errichtet und ist dem anderen aufgrund der Abrissverpflichtung als Scheinbestandteil des Grund und Bodens zuzurechnen. Es handelt sich damit um ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden. Die wirtschaftliche Einheit umfasst nach § 244 Abs. 3 Nr. 2 BewG das Gebäude auf fremdem Grund und Boden zusammen mit dem dazugehörigen Grund und Boden. Für die wirtschaftliche Einheit ist nach § 262 Satz 1 BewG der Gesamtwert so zu ermitteln, als wenn die Belastung nicht bestünde.

Das Lagergebäude stellt ein Geschäftsgrundstück i.S.d. § 249 Abs. 7 BewG dar, da das Grundstück zu 100 % den eigenen gewerblichen Zwecken des Pächters dient. Das Geschäftsgrundstück ist gemäß § 250 Abs. 3 Nr. 1 BewG zwingend im Sachwertverfahren zu bewerten (§ 262 Satz 1 BewG i.V.m. §§ 258 ff. BewG).

Die typisierte wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer beträgt für ein Lagergebäude nach Anlage 38 zum BewG 40 Jahre. Bedingt durch den bei Beendigung des Pachtverhältnisses notwendigen Abriss des Gebäudes ergibt sich für das Lagergebäude eine verkürzte tatsächliche Gesamtnutzungsdauer (§ 259 Abs. 4 Satz 5 BewG).

Die tatsächliche Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes beträgt 30 Jahre (1.1.2000 bis 31.12.2029). Im Hauptfeststellungszeitpunkt ist das Gebäude 22 Jahre alt (2000 bis 2022). Bei der Ermittlung des Gebäudesachwerts ist die Regelung zum Mindestrestwert i.H.v. 30 % der Gebäuderegelherstellungskosten (vgl. § 259 Abs. 4 Satz 4 BewG) aufgrund der bestehenden Abrissverpflichtung und der damit tatsächlich begrenzten Restnutzungsdauer unbeachtlich.

Es ergibt sich folgender Grundsteuerwert:

 
Bodenwert[6]   160.000 EUR
(Grundstücksfläche × Bodenrichtwert; 3.200 m [2] × 50 EUR/m [2] )    
Normalherstellungskosten 361 EUR/m[2]  
(lt. Anlage 42, Teil II zum BewG für ein Lagergebäude ohne Mischnutzung, Kaltlager, Baujahrsgrupp...

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