Rz. 41

[Autor/Stand] Trotz der Regelung des gemeinen Werts im ersten Teil des Bewertungsgesetzes unter den allgemeinen Bewertungsvorschriften sieht das Gesetz in besonderen Fällen die Zugrundelegung des gemeinen Werts noch einmal ausdrücklich klarstellend, aber darüber hinaus auch ersatzweise an Stelle des speziellen Wertes vor. Ein klarstellender Hinweis auf die Verwendung des gemeinen Wertes erfolgt im Sonderfall der Bewertung von ausländischen Sachvermögen (§ 31 Abs. 1 Satz 1 BewG). Danach gelten für die Bewertung von ausländischem Vermögen die Regelungen des ersten Teils des BewG (§§ 116 BewG), insb. die Regelung zum gemeinen Wert nach § 9 BewG. Diese ausdrückliche Klarstellung ist deshalb von besonderer Bedeutung, als bezüglich des ausländischen Vermögens vom gemeinen Wert abweichende spezielle Bewertungsmaßstäbe – wie auch im BewG vorgesehen – möglich wären.[2]

Des Weiteren war bis 31.12.2006 nur vereinzelt die ersatzweise Verwendung des gemeinen Werts über sog. Öffnungsklauseln vorgesehen (§ 13 Abs. 3 Satz 1 BewG, § 14 Abs. 4 Satz 1 BewG, § 145 Abs. 3 Satz 3 BewG). Diese Fälle sind dadurch charakterisiert, dass die in der jeweiligen Regelung vorgesehene Wertermittlung nicht zwingend zum gemeinen Wert führt, ein Wertansatz oberhalb des bestehenden gemeinen Wertes jedoch ausgeschlossen werden soll.[3] Ab dem 1.1.2007 besteht die Möglichkeit, einen niedrigeren Grundstückswert als den nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes ermittelten Wert in allen Fällen nachweisen zu können, bei denen für eine wirtschaftliche Einheit des Grundbesitzes ein Grundbesitzwert festzustellen ist (§ 138 Abs. 4 BewG). Allerdings besteht unverändert lediglich ein eingeschränktes Wahlrecht zwischen dem speziellen Wert und einem abweichenden gemeinen Wert, da letzterer nur berücksichtigt werden darf, wenn dieser durch den Steuerpflichtigen auch nachgewiesen wird.[4] In welcher Weise der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes zu erbringen ist, ist im Bewertungsgesetz nicht festgelegt. Daher stehen m.E. dem Steuerpflichtigen alle Möglichkeiten zu dessen Nachweis offen.[5] Für die Ermittlung des Verkehrswerts kann allerdings nicht auf einen typisierenden (Steuer-)Wert zurückgegriffen werden.[6] Führt der Steuerpflichtige den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts durch ein Sachverständigengutachten, dann handelt es sich um ein urkundlich belegtes Parteivorbringen, das der freien Beweiswürdigung des Gerichts unterliegt.[7] Der Nachweis ist erbracht, wenn dem Gutachten ohne Einschaltung bzw. Bestellung weiterer Sachverständiger gefolgt werden kann. Entspricht das Gutachten nicht in jeder Hinsicht den zu stellenden Anforderungen, berechtigt dies nicht ohne weiteres dazu, das Gutachten insgesamt unberücksichtigt zu lassen. Etwaige Lücken im Gutachten können vom erkennenden Gericht selbst geschlossen werden, wenn und soweit diese ohne Sachverständige im üblichen Rahmen der Beweiswürdigung möglich ist.[8]

 

Rz. 42

[Autor/Stand] Unauflösbare Widersprüche im Gutachten eines Sachverständigen führen dazu, dass das Gutachten nicht verwendet werden kann.

 

Beispiel: 8

Das Gutachten stellt fest, dass wegen fehlender Handelbarkeit und fehlenden Marktgeschehens kein Verkehrswert existiere, andererseits wird im Gutachten aber ein Verkehrswert i.H.v. 0 EUR gutachterlich ermittelt.

 

Rz. 43

[Autor/Stand] Ein vom Steuerpflichtigen gewählter Nachweis, der nicht in Form eines Gutachtens des Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen bzw. von Kaufpreisen für entsprechende Grundstücke besteht, muss jedoch eine entsprechende Aussagekraft zukommen. Der BFH hat es daher abgelehnt, eigene Berechnungen des Steuerpflichtigen, der selbst nicht Sachverständiger für die Bewertung von Grundstücken ist, als Nachweis für einen niedrigeren gemeinen Wert zuzulassen.[11] Ausgeschlossen ist, diejenigen den gemeinen Wert beeinflussenden wertmindernden Faktoren bei der Feststellung des niedrigeren gemeinen Werts zu berücksichtigen, die im Rahmen der Feststellung des dazu alternativen Werts unberücksichtigt bleiben müssen.[12] Die gesetzlichen Regelungen zu den Öffnungsklauseln sind abschließend.[13] Bei der Bewertung von Grundstücken nach dem Sachwertverfahren ist im Gegensatz zu den Öffnungsklauseln zwingend vorgeschrieben, den gem. § 80 BewG auf der Grundlage von Gebäudenormalherstellungskosten ermittelten Sachwert durch Anwendung eines im Einzelfall vorgesehenen Vervielfältigers auf den niedrigeren gemeinen Wert anzupassen. Auch in diesem Fall wird der gemeine Wert zur Vermeidung von unbilligen Ergebnissen als Wertobergrenze bestimmt.

 

Rz. 44

[Autor/Stand] Nach der Neufassung des § 11 Abs. 2 BewG mit Wirkung ab 1.1.2009 wird in der Literatur die Frage diskutiert, ob der gemeine Wert i.S.d. § 11 Abs. 2 BewG sich von dem gemeinen Wert gem. § 9 BewG unterscheidet. Hierzu wird die Auffassung vertreten, dass es sich in § 9 BewG lediglich um die Konstituierung des gemeinen Werts als grundsätzlichem Bewertungsmaßstab handelt, während dem gegenüber § 11 BewG eine konkrete Anwe...

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