1. Erwerb von Todes wegen

 

Rz. 6

[Autor/Stand] § 3 Abs. 1 ErbStG bestimmt, welche Vorgänge als Erwerb von Todes wegen gelten. Zwischen welchen Personen diese Erwerbe stattfinden, wird nicht ausdrücklich gesagt und muss aus der Art des Erwerbs erschlossen werden. Umgekehrt bestimmt Abs. 2 der Vorschrift, was "auch" als vom Erblasser zugewendet gilt, ohne ausdrücklich zu sagen, dass die Zuwendung steuerbar ist. Trotz des unterschiedlichen Wortlauts meinen beide Absätze das Gleiche. Sie setzen nur unterschiedliche Akzente. Sie bestimmen sowohl die Erwerbstatbestände als auch die daran Beteiligten.[2]

 

Rz. 7

[Autor/Stand] Unter einem Erwerb von Todes wegen ist ein Erwerb zu verstehen, der in einer bestimmten Weise mit dem Tod eines Anderen verknüpft ist: Der Erwerb erfolgt beim Tod des Anderen aufgrund eines gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Erwerbsrechts. Außerdem muss der Erwerbsberechtigte beim Tod des Anderen noch am Leben sein (vgl. §§ 1923 Abs. 1, 2108, 2160, 2301 BGB).

 

Rz. 7a

[Autor/Stand] Zwischen dem Erwerb durch Erbanfall i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und dem nicht steuerbaren Erwerb aufgrund eines Erbfalls ist zu unterscheiden.[5] Im Urteilsfall des BFH übertrug der Erblasser ein Grundstück an eine Dritte, die sich im Gegenzug verpflichtete, den Erblasser bis zu seinem Tod zu pflegen. Nach Eintritt des Erbfalls verlangte der Alleinerbe die Herausgabe des Grundstücks. Das Zivilgericht urteilte, dass die Übertragung des Grundstücks auf die Beklagte eine gemischte Schenkung gewesen sei, denn der Erblasser habe zum Teil eine Gegenleistung in Form der Pflege durch die Beklagte erhalten. Den Wert der unentgeltlichen Leistung habe sie aber an den Kläger auszukehren. Die Parteien einigten sich vergleichsweise auf die Zahlung von 100.000 EUR. Das FA vertrat die Auffassung, der Alleinerbe habe diesen Betrag von Todes wegen erworben und setzte entsprechend Erbschaftsteuer fest. Nach Ansicht des BFH hat der Steuerpflichtige die Vergleichszahlung i.H.v. 100.000 EUR nicht von Todes wegen i.S.d. § 3 Abs. 1 ErbStG erworben, denn es liege kein Erwerb "durch Erbanfall" vor. Nicht einmal der Anspruch auf Zahlung dieses Betrags sei dem Alleinerben auf diese Weise zugefallen. Vielmehr entstand dieser Anspruch erst in seiner Person, sodass er zivilrechtlich nicht zum Nachlass gehöre. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG könne nicht dahin ausgedehnt werden, dass jeder Erwerb erfasst sein soll, der auf dem Rechtsvorgang nach § 1922 BGB beruhe.[6] Nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht ist bei der steuerlichen Behandlung von Vergleichszahlungen in Erbfällen Vorsicht angebracht, da diese zu Unrecht der Besteuerung nach § 3 Abs. 1 ErbStG zugrunde gelegt werden.[7]

[Autor/Stand] Autor: Götz, Stand: 01.11.2021
[2] Das ergibt sich auch aus § 9 Abs. 1 ErbStG. Ebenso Gebel in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, § 3 ErbStG Rz. 316.
[Autor/Stand] Autor: Götz, Stand: 01.11.2021
[Autor/Stand] Autor: Götz, Stand: 01.11.2021
[6] Cropp/Knebuch, ZEV 2021, 81, 82.
[7] Cropp/Knebuch, ZEV 2021, 81, 85.

2. Abgrenzung zum Erwerb unter Lebenden

 

Rz. 8

[Autor/Stand] Nicht erforderlich ist, dass ein Erwerb von Todes wegen auf den erbrechtlichen Vorschriften des BGB beruht, mag das auch zumeist so sein. Auch ein zu Lebzeiten des Verstorbenen eingeleiteter Erwerb ist ein Erwerb von Todes wegen, wenn der Begünstigte noch keine vermögenswerte Rechtsposition erlangt hat, sondern nur eine Erwerbschance (auch Erwerbsanwartschaft genannt).

 

Rz. 9

[Autor/Stand] Anders ist es hingegen, wenn der Erwerb bereits soweit abgeschlossen ist, dass er sich beim Tod des Anderen ohne Zutun des Erwerbsberechtigten oder eines Dritten vollendet. So verhält es sich bei einer aufschiebend bedingten oder befristeten Zuwendung, unabhängig davon, ob der Begünstigte ein Anwartschaftsrecht erlangt hat, das beim Tod des Anderen ohne weiteres zum Vollrecht erstarkt. In diesem und in anderen Fällen liegt ein Erwerb unter Lebenden vor.[3]

 

Rz. 10

[Autor/Stand] Der Unterschied lässt sich am Beispiel der Schenkung auf den Todesfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 ErbStG) verdeutlichen. Sie beruht auf einer Handschenkung (§ 516 BGB) oder einem Schenkungsversprechen (§ 518 BGB), die beide lebzeitige Rechtsgeschäfte sind und in concreto die Besonderheit aufweisen, dass der Leistungserfolg bei der Handschenkung sofort eintritt oder – was nur beim Schenkungsversprechen denkbar ist – der Leistungsanspruch durch den Tod des Schenkers aufschiebend bedingt ist. Anders als bei einer Schenkung von Todes wegen (§ 2301 BGB) ist bei einer Schenkung auf den Todesfall nicht vorausgesetzt, dass der Beschenkte den Schenker überlebt. Deshalb ist nur die Vollendung des Erwerbs an den Tod des Schenkers gebunden. Stirbt der Erwerber vor dem Schenker, geht seine Rechtsposition auf seine Erben über[5].

 

Rz. 11

[Autor/Stand] Bei einem Vertrag zugunsten Dritter ist entscheidend, ob dem Dritten das Recht sofort mit Vertragsabschluss zustehen soll. Ist dies der Fall, liegt ein Erwerb unter Lebenden vor (s. oben Rz. 222). Soll die Leistung hingegen e...

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