Rz. 26

[Autor/Stand] Der gemeine Wert von Anteilen an Kapitalgesellschaften ist gem. § 12 Abs. 2 ErbStG i.V.m. § 11 BewG – gem. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BewG verfahrensrechtlich gesondert – zu ermitteln. Nach § 12 Abs. 2 ErbStG ist maßgeblicher Zeitpunkt hierfür der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer. Insoweit stellt § 12 Abs. 2 ErbStG klar, was bereits nach § 11 ErbStG grundsätzlich gilt.[2] Nach dem Recht des Vereinigten Königreichs gegründete Kapitalgesellschaften, insb. in der Rechtsform einer "private company limited by shares" (Limited), mit Sitz im Ausland und Geschäftsleitung im Inland werden – mangels Einhaltung deutscher Gründungsvorschriften und Eintragung im deutschen Handelsregister – für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer ab dem 1.1.2021 in Deutschland nicht als Kapitalgesellschaft behandelt.[3]

Unverändert gilt, dass für börsennotierte Anteile der Kurswert am Todestag bzw. am Tag des Vollzugs der Schenkung relevant ist, § 11 Abs. 1 BewG.

 

Rz. 27

[Autor/Stand] Der gemeine Wert nicht notierter Anteile ist primär aus Verkäufen abzuleiten, soweit diese zeitnah, d.h. weniger als ein Jahr vom Besteuerungszeitpunkt zurückliegen.[5] Es ist nach Ansicht des FG München gesetzlich nicht vorgesehen, dass der gemeine Wert aus Verkäufen abgeleitet werden kann, die erst nach dem Bewertungsstichtag abgeschlossen worden sind. Von diesem Grundsatz macht die Rechtsprechung nur dann eine Ausnahme, wenn der formelle Vertragsabschluss kurz nach dem Stichtag liegt und die Einigung über den Kaufpreis schon am Bewertungsstichtag herbeigeführt war.[6] Der Vertragsschluss muss in diesen Fällen jedoch kurz nach dem Stichtag, d.h. innerhalb einer nach Wochen zu bemessenden Zeitspanne, erfolgen.[7] Für den Nachweis des gemeinen Wertes i.S.v. § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG reichen bloße Vertragsverhandlungen nicht aus. Es bedarf eines "Verkaufs"; dieser setzt zwingend voraus, dass ein wirksamer Kaufvertrag abgeschlossen worden ist.[8] Es sind ferner nur Verkaufsvorfälle unter fremden Dritten zu berücksichtigen, also Verkäufe im gewöhnlichen Geschäftsverkehr.[9] Ob damit automatisch Verkäufe innerhalb der Familie oder an eine Gesellschaft, an der der Veräußerer beteiligt ist, nicht berücksichtigt werden dürfen, muss bezweifelt werden.

 

Rz. 28

[Autor/Stand] Liegen derartige Fremdverkäufe nicht vor, sind drei untereinander gleichwertige Methoden nach der Neuregelung des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG anwendbar:

 

Rz. 29

[Autor/Stand] Es ist also festzuhalten, dass der Steuerpflichtige einen vom vereinfachten Ertragswertverfahren abweichenden niedrigeren Wert nachweisen und der Besteuerung zugrunde legen kann. Diese Möglichkeit ist deshalb von großer praktischer Bedeutung, da das vereinfachte Ertragswertverfahren selbst – im Unterschied zur Immobilienbewertung nach § 198 BewG – keinen Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts erlaubt. Die Einschränkung in der Anwendbarkeit des vereinfachten Ertragswertverfahrens nach § 199 Abs. 2 BewG hilft dem Steuerpflichtigen hingegen nicht, da es ein "offensichtlich unzutreffendes Ergebnis" voraussetzt[15] und überdies in beide Richtungen wirkt.

 

Rz. 30

[Autor/Stand] Aus dem System des § 11 Abs. 2 BewG ist abzuleiten, dass sich der Steuerpflichtige derjenigen Methode bedienen darf, die aus "seiner Sicht" zu einem möglichst niedrigen gemeinen Wert führt (Wahlrecht).[17] Aufgrund der gesetzlichen Anordnung bedeutet "seine Sicht" hierbei die Sicht des Erwerbers (s. § 11 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BewG). Legt der Steuerpflichtige also ein Gutachten nach den Grundsätzen des § 11 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BewG vor, können weder das FA noch das FG ohne Weiteres dem vereinfachten Ertragswertverfahren den Vorrang einräumen.[18]

 

Rz. 31

[Autor/Stand] Im Ergebnis wird der Steuerpflichtige faktisch gezwungen, neben dem vereinfachten Ertragswertverfahren stets ein Ertragswertverfahren nach IDW Standard S 1 oder nach der DCF-Methode einzuholen. Denn angesichts der Vergangenheitsbetrachtung, die im vereinfachten Ertragswertverfahren gilt, ergeben sich bei einem ab 1.1.2016 gesetzlich vorgegebenen Faktor von 13,75 oft überhöhte und unrealistische Werte. Erfahrungen aus der Praxis machen deutlich, dass durch die Änderung des Bewertungsrechts auf die Unternehmen, insb. bei mehrstöckigen Unternehmensstrukturen und/oder einer größeren Anzahl von Gesellschaftern, ein erheblicher Zeit- und Kostenaufwand zukommt, wenn ein Erbfall eingetreten oder eine Schenkung vollzogen wurde.[20] Es scheint daher empfehlenswert, die Frage, wer diesen Aufwand wirtschaft...

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