I. Voraussetzungen

 

Rz. 105

[Autor/Stand] Hat sich der Erbbauberechtigte vertraglich verpflichtet, das Erbbaugebäude bei Beendigung des Erbbaurechts abzubrechen, ist dies bei der Bewertung des Gebäudes durch einen entsprechenden Abschlag zu berücksichtigen. Der Abschlag unterbleibt, wenn das Gebäude trotz der formellen Verpflichtung voraussichtlich nicht abgebrochen werden wird (§ 92 Abs. 4 BewG). Diese Regelung beim Erbbaurecht entspricht den Vorschriften in § 82 Abs. 1 Nr. 3 BewG, wonach die Notwendigkeit baldigen Abbruchs bei der Bewertung nach dem Ertragswertverfahren zu berücksichtigen ist (vgl. § 82 BewG Rz. 7–8.2). Ein solcher Abschlag ist bei Vorliegen der Voraussetzung auch bei der Bewertung auf der Grundlage des Sachwertverfahrens erforderlich, auch wenn dies in § 88 BewG nicht ausdrücklich aufgeführt ist (vgl. § 88 BewG Rz. 21–22.3). Schließlich enthält § 94 Abs. 3 BewG eine dem § 92 Abs. 4 BewG im Wortlaut gleich lautende Vorschrift für die Bewertung von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden.

 

Rz. 106

[Autor/Stand] Mit Urteil v. 26.2.1986[3] hat der BFH entschieden, wie die Verpflichtung nach Wahl des Grundstückseigentümers zum Abbruch oder zur entschädigungslosen Übertragung des Erbbaugebäudes zu behandeln ist. Hat sich der Erbbauberechtigte unbedingt zum Abbruch des Erbbaugebäudes und zur Wiederherstellung des Zustandes vor der Bebauung verpflichtet, kann er aber nach Wahl des Grundstückseigentümers das Gebäude auch entschädigungslos auf einen Dritten übertragen, ist für die Bewertung des Erbbaurechts nur von der Abbruchsverpflichtung auszugehen und diese durch einen Abschlag nach § 92 Abs. 4 BewG zu berücksichtigen. Dies ist dadurch begründet, dass der Grundstückseigentümer das Wahlrecht bei dieser Gestaltung einseitig ausüben kann. Der Erbbauberechtigte hat demgegenüber keine Möglichkeit, die Entscheidung zur entschädigungslosen Übertragung des Erbbaugebäudes zu erzwingen. Die Unsicherheit darüber, wie sich der Grundstückseigentümer bei Beendigung des Erbbaurechts entscheiden wird, rechtfertigt es nicht, von dem Abschlag abzusehen. Erst von dem Feststellungszeitpunkt an, zu dem konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Grundstückseigentümer nicht auf dem Abbruch bestehen wird, ist der Abschlag nicht mehr gerechtfertigt.

 

Rz. 107

[Autor/Stand] Das FG Baden-Württemberg hat zur Abbruchsverpflichtung rechtskräftig entschieden[5], dass die Abbruchsverpflichtung auch dann einen Abschlag rechtfertigt, wenn die Laufzeit des Erbbaurechts im maßgebenden Feststellungszeitpunkt noch 50 Jahre oder mehr beträgt.

 

Rz. 108

[Autor/Stand] Besteht für den Eigentümer des belasteten Grundstücks ein Wahlrecht, nach Ablauf des Erbbaurechts das Gebäude entschädigungslos übereignet zu erhalten oder es auf Kosten des Erbbauberechtigten beseitigen zu lassen, kommt keine dem Bodenwert entsprechende Verteilung des Gebäudewerts in Betracht. Denn die Abbruchverpflichtung könnte nur dann außer Betracht gelassen werden, wenn im Feststellungszeitpunkt vorherzusehen ist, dass es trotz dieser Verpflichtung nicht zum Abbruch des Gebäudes kommt.[7]

 

Rz. 109

[Autor/Stand] Ein sachlicher Unterschied in den Voraussetzungen für den Abschlag nach den in Rz. 105 angeführten Vorschriften besteht insofern, als die §§ 92 Abs. 4 und 94 Abs. 3 BewG den Abbruch des Gebäudes aufgrund vertraglicher Vereinbarungen zum Inhalt haben, während § 82 Abs. 1 Nr. 3 BewG ganz allgemein einen Abschlag vom Gebäudewert bei Notwendigkeit eines baldigen Abbruchs des Gebäudes vorsieht. § 88 BewG spricht einen vorzeitigen Abbruch ausdrücklich nicht an. Letztlich erfordern schon die allgemeinen Bewertungsgrundsätze die Berücksichtigung einer Verkürzung der Lebensdauer des Gebäudes infolge eines vorzeitigen Abbruchs. Der vorzeitige Abbruch muss aber ernstlich in Aussicht stehen, und diese Ernstlichkeit muss auch durch gewisse Sachverhaltsmerkmale belegt sein.

 

Rz. 109a

[Autor/Stand] Abbruchverpflichtung trotz Vertragsverlängerungen

Der BFH hat mit Urteilen vom 16.1.2019[10] und vom 30.1.2019[11] über den bewertungsrechtlichen Abschlag wegen einer Abbruchverpflichtung für Gebäude auf fremdem Grund und Boden entschieden. Die OFD Frankfurt am Main hat sich mit Verfügung vom 3.7.2019[12] sowohl mit der Berücksichtigung einer Abbruchverpflichtung beim Erbbaurecht als auch bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden beschäftigt und dabei die beiden Urteile zutreffend auf Erbbaurechtsfälle übertragen.

Die OFD führt Folgendes aus:

„Die Verpflichtung des Erbbaurechts, das Gebäude bei Beendigung des Erbbaurechts abzubrechen, durch einen Abschlag zu berücksichtigen. Bei Bewertungen im Ertragswertverfahren ist die Höhe des Abschlags der Anlage 9 der BewRGr zu entnehmen (Abschn. 48 Abs. 5, Abschn. 50 Abs. 3 BewRGr). Diese Tabelle endet bei einer restlichen Lebensdauer des Gebäudes von 30 Jahren.

Ein Abschlag unterbleibt jedoch auch bei einer restlichen Lebensdauer von mehr als 30 Jahren nicht. Dem Erbbauberechtigten wird nach § 92 Abs. 3 Satz 5 BewG in Verbindung mit der Tabelle in Satz 2 ein Anteil am Ge...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge