I. Grundgedanke der Vorschrift

 

Rz. 82

[Autor/Stand] § 69 Abs. 2 BewG stellt gegenüber Absatz 1 eine Spezialvorschrift – und zwar eine Schutzvorschrift – für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft dar, die die Existenzgrundlage des Betriebsinhabers bilden (so genannte Existenzgrundlagenbetriebe).[2] Durch Absatz 2 wird der in Absatz 1 aufgestellte Grundsatz über die Erfassung von land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen als Grundvermögen bei Existenzgrundlagenbetrieben eingeschränkt. Absatz 2 knüpft die Bewertung land- und forstwirtschaftlich genutzter Flächen von Existenzgrundlagenbetrieben als Grundvermögen an strengere Voraussetzungen. Flächen eines Existenzgrundlagenbetriebs sollen unter bestimmten Voraussetzungen möglichst lange als land- und forstwirtschaftliches Vermögen behandelt werden. Der Gesetzgeber ist bei dieser Sonderregelung für Existenzgrundlagenbetriebe offenbar von der Erwägung ausgegangen, dass die landwirtschaftlich genutzten Flächen von Betrieben dieser Art regelmäßig auch weiterhin land- und forstwirtschaftlich genutzt werden. Die vorzeitige Erfassung als Grundvermögen würde infolge der dadurch eintretenden stärkeren Steuerbelastung die Rentabilität des Betriebs beeinträchtigen. Deshalb sollen zu einem Existenzgrundlagenbetrieb gehörige Flächen – bei Vorliegen der weiteren im Gesetz aufgezählten Voraussetzungen – erst dann dem Grundvermögen zugerechnet werden, wenn die Verwendung der Flächen als Grundvermögen innerhalb eines Zeitraumes von zwei Jahren mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann.

 

Rz. 83

[Autor/Stand] Planungsrechtlich ausgewiesenes Bauland nimmt § 69 Abs. 3 BewG aus dem Anwendungsbereich der Schutzvorschrift des Absatzes 2 insoweit heraus, als es sich nicht um die Hofstelle oder andere in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang mit der Hofstelle stehende andere Flächen bis zu einer Größe von insgesamt 1 Hektar handelt.

 

Rz. 84

[Autor/Stand] Nach § 69 Abs. 4 BewG ist die Schutzvorschrift des Absatzes 2 auch nicht auf Flächen anwendbar, die bei der Bodengewinnbesteuerung (§ 55 EStG) mit dem Teilwert angesetzt werden.

[Autor/Stand] Autor: Esskandari, Stand: 01.01.2016
[2] FG München v. 29.1.1981 – IV 239/77, EFG 1982, 60, rkr.
[Autor/Stand] Autor: Esskandari, Stand: 01.01.2016
[Autor/Stand] Autor: Esskandari, Stand: 01.01.2016

II. Die Voraussetzungen im Einzelnen

1. Betrieb der Land- und Forstwirtschaft – Existenzgrundlage des Betriebsinhabers

a) Grundsätzliches

 

Rz. 85

[Autor/Stand] Die Vergünstigungsvorschrift kommt nur einem solchen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zugute, der die Existenzgrundlage des Betriebsinhabers bildet. Nur Flächen, die zu einem solchen Betrieb gehören, werden geschützt. Der Begriff "Betrieb der Land- und Forstwirtschaft" i.S.d. Bewertungsgesetzes ist grundsätzlich weit auszulegen. Maßgebend für die Auslegung dieses Begriffs ist nicht die allgemeine Verkehrsauffassung, sondern die sehr weitgehende Regelung in § 33 BewG i.V.m. § 34 BewG.[2] Der Begriff "Betrieb der Land- und Forstwirtschaft" setzt ebenso wie der im BewG 1934 verwendete Begriff "landwirtschaftlicher Betrieb" weder eine Mindestgröße noch vollen landwirtschaftlichen Besatz (Betriebsmittel, Gebäude usw.) voraus. Auch eine organisatorische Zusammenfassung von Grund und Boden, Gebäuden und Betriebsmitteln ist nicht erforderlich.[3] Auch ein einzelner Acker oder eine Wiese, die etwa durch Verpachtung auf Dauer einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft dient, kann danach als Betrieb der Land- und Forstwirtschaft i.S.v. § 33 BewG anzusehen sein.[4] Demgemäß bestimmt § 34 Abs. 7 Satz 1 BewG ausdrücklich, dass auch Stückländereien Betriebe der Land- und Forstwirtschaft bilden.

 

Rz. 86

[Autor/Stand] Angesichts dieses im Bewertungsrecht weit gefassten Begriffs "Betrieb der Land- und Forstwirtschaft" ist zu beachten, dass der Gesetzgeber den besonderen Schutz gemäß § 69 Abs. 2 BewG davon abhängig gemacht hat, dass die landwirtschaftlich genutzten Flächen zu einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft gehören, der für den Betriebsinhaber die Existenzgrundlage bildet, und dass die Flächen von einem Zentrum, nämlich der Hofstelle oder – wie das Gesetz sagt – von einer "Stelle" aus ordnungsgemäß bewirtschaftet werden. Im Gegensatz zum Begriff der Land- und Forstwirtschaft, wie ihn das Bewertungsrecht (§§ 33, 34 BewG) sonst versteht, wird damit für die Anwendung des § 69 Abs. 2 BewG eine gewisse Organisation von Grund und Boden, Gebäuden und Betriebsmitteln sowie die Bewirtschaftung der Fläche von einer Stelle aus verlangt. Entgegen der sonstigen Verwendung des Begriffs der Land- und Forstwirtschaft (vgl. §§ 33, 34 Abs. 7 Satz 1 BewG) setzt die Anwendung der Schutzvorschrift des § 69 Abs. 2 BewG regelmäßig auch eine gewisse Mindestgröße des Betriebes voraus, die allerdings im Hinblick auf die unterschiedlichen Kulturarten und deren unterschiedliche Ertragsfähigkeit sowie wegen der unterschiedlichen Intensität der Bewirtschaftung schwanken kann.

b) Existenzgrundlage

 

Rz. 87

[Autor/Stand] Die Frage, ob ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft die Existenzgrundlage des Betriebsinhabers bildet, ist nicht einfach zu beantworten. Existenz bedeut...

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