Rz. 15

[Autor/Stand] Wenn sich nachträgliche Wertveränderungen grundsätzlich nicht auswirken, stellt sich die Frage, ob denn Ausnahmen in besonderen Härtefällen zugelassen werden können. Zu berücksichtigen ist dabei, dass es dem Gesetzgeber durchaus bewusst war, dass sich die Wertverhältnisse im Anschluss an den Bewertungsstichtag mehr oder weniger gravierend verändern können, und zwar nach beiden Richtungen i.S. eines Wertverlustes oder Wertzuwachses. Beides sollte ausdrücklich außer Betracht bleiben. Gerade weil dem Gesetzgeber bewusst war, dass Vermögenswerte den Regeln des Marktes unterliegen, kam es ihm darauf an, aus der Abfolge wechselnder Werte einen bestimmten als den maßgeblichen Wert herauszugreifen. Dafür bot sich als einzig sachgerecht nur der Wert im Zeitpunkt der Steuerentstehung an. Jeder andere Wert wäre willkürlich gegriffen. Eine dauerhafte Bereicherung konnte daher nach der Wertung des Gesetzgebers nicht verlangt werden. Daraus resultiert die derzeitige Fassung des § 11 ErbStG.

 

Rz. 16

[Autor/Stand] Soweit sich im Einzelfall Härten ergeben, können diese nur durch entsprechende Billigkeitsmaßnahmen ausgeglichen werden.[3] Als Billigkeitsmaßnahmen kommen die Stundung nach § 222 AO sowie der Erlass nach §§ 163, 227 AO in Betracht.

 

Rz. 17

[Autor/Stand] Sowohl bei der Stundung als auch beim Erlass ist nach sachlichen und nach persönlichen Billigkeitsgründen zu unterscheiden. Die persönliche Billigkeit richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen.[5] Bei einer sachlichen Unbilligkeit[6] – also bei der Zulassung von Ausnahmen vom Grundsatz des Stichtagsprinzips – ist allerdings die in § 11 ErbStG zum Ausdruck gekommene Wertung des Gesetzgebers zu beachten. Die Finanzverwaltung hat deshalb bislang allgemeine Billigkeitsmaßnahmen, die dem Stichtagsprinzip zuwiderlaufen abgelehnt.[7] Mitunter wird eine sachliche Unbilligkeit sogar generell abgelehnt, um nicht die Geltung des § 11 ErbStG in Frage zu stellen.[8]

 

Rz. 18

[Autor/Stand] Dieser Haltung steht allerdings die Wertung des BVerfG gegenüber.[10] Teilweise werden deshalb "krasse Einzelfälle" von dieser grundsätzlichen Beurteilung ausgenommen, wenn ein Erwerber wegen fehlender Verfügungsmöglichkeiten über das erworbene Vermögen den Vermögensverfall nicht abwenden konnte und die nach dem Stichtagswert berechnete Steuer, bezogen auf den verbliebenen Wert des zugewendeten Vermögens, eine Besteuerungsquote ergibt, die den Höchststeuersatz der anzuwendenden Steuerklasse oder den Steuersatz der nächsthöheren Steuerklasse übersteigt.[11] Dies dürfte auch der zutreffende Ansatz sein.

 

Rz. 19

[Autor/Stand] Dem wird jedoch entgegengehalten, dass der Gesetzgeber auch bei Normierung der (Höchst-)Steuersätze (§ 19 ErbStG) eine strikte Anwendung des Stichtagsprinzips zugrunde gelegt hat.[13] Für eine Billigkeitsmaßnahme sei deshalb nur Raum, soweit die Besteuerung im Einzelfall die dem erbschaftsteuerlichen Zugriff gesetzte verfassungsrechtliche Grenze tangiere, d.h. erdrosselnde Wirkung habe.[14] Billigkeitsmaßnahmen für Erwerber der Steuerklasse I dürften demgegenüber angezeigt sein, soweit das tatsächlich erworbene Vermögen nicht (mehr) unterhalb des Freibetrags verbleibe, der den Erben nach dem BVerfG-Beschluss vom 22.6.1995[15]"ungeschmälert verbleiben muss". Eine erdrosselnde Wirkung kann aber jedenfalls dann nicht mehr in Frage gestellt werden, wenn der Erwerb nicht ausreicht, um die entstandene Steuer zu bezahlen.[16]

 

Rz. 20

[Autor/Stand] Andere wiederum greifen zunächst einmal ebenfalls den Gedanken auf, dass der Erwerber den Verfall des zu besteuernden Vermögens wegen fehlender tatsächlicher Verfügungsmacht weder durch Verkauf noch durch andere Maßnahmen verhindern konnte.[18] Die erforderliche Härte soll dann aber gegeben sein, wenn das dem Erwerber nach dem Vermögensverfall verbleibende Vermögen weniger als die Hälfte des Vermögens betrage, welches ihm der Gesetzgeber nach Anwendung des ErbStG und nach Abzug der Erbschaftsteuer hätte belassen wollen. Dem wird entgegengehalten, dass der sog. Halbteilungsgrundsatz auf die Erbschaft- und Schenkungsteuer unanwendbar sei.[19] Ob dies so ist, dies mag dahinstehen. Denn faktisch hat der Gesetzgeber sich bei der Bestimmung der Steuersätze in § 19 Abs. 1 ErbStG daran gehalten. Einen höheren Steuersatz als den von 50 % kennen wir in der Erbschaftsteuer nicht.

 

Rz. 21

[Autor/Stand] Der BFH entschied, dass, im Zusammenhang mit der Besteuerung einer von Todes wegen erworbenen Leibrente nach § 23 Abs. 1 ErbStG, eine sachliche Unbilligkeit dadurch eintreten könne, dass die Besteuerung an die lebenslängliche Leistung der Rente anknüpft und die Rentenzahlungen tatsächlich aufgrund von Umständen entfielen, die der Rentenberechtigte nicht zu vertreten habe. Insoweit käme es zu einem ungewollten Überhang des Steuertatbestandes, weil der Rentenberechtigte zwar keine Zahlungen mehr erhalte, aber weiterhin bis zu seinem Ableben nach § 23 Abs. 1 ErbStG die Jahressteuer für eine lebenslängliche Rente zu entrichten habe.[21] In der L...

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