Rz. 8

[Autor/Stand]"Stichtagsprinzip" heißt zunächst einmal, dass sich Wertveränderungen nach dem Stichtag, gleichgültig ob positive oder negative, nicht auswirken. Spätere Ereignisse, die den Wert des Vermögensanfalls erhöhen oder vermindern, können sich also erbschaftsteuerlich nicht auswirken.[2]

 

Rz. 9

[Autor/Stand] Die Wertermittlung nach § 11 ErbStG stellt demnach eine Momentaufnahme dar und nicht das Ergebnis einer dynamischen Betrachtung, mit der sich auch die weitere wertmäßige Entwicklung des Erwerbs nach dem Zeitpunkt der Steuerentstehung erfassen ließe. Das Stichtagsprinzip schließt zwar nicht grundsätzlich jeden Blick auf vorhergehende oder nachfolgende Ereignisse aus; insbesondere können später eingetretene Umstände zur Beurteilung der am Stichtag gegebenen Verhältnisse unterstützend i.S. einer retrospektiven Betrachtung herangezogen werden.[4] Eine Rückprojizierung nachträglich eingetretener Ereignisse ist dagegen nicht erlaubt.[5] Abgesehen von den Fällen einer retrospektiven Betrachtung sowie von ausdrücklichen gesetzlichen Regelungen wie etwa § 9 Abs. 1 Nr. 1aj ErbStG können nachträglich eingetretene Umstände danach bei der Festsetzung der Steuer nicht berücksichtigt werden.[6]

 

Rz. 10

 

Beispiel

Der Erblasser stirbt während des Brandes seines Hauses.

Bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer sind das Haus und die darin befindlichen Sachen mit den zum Zeitpunkt des Erbfalls anzusetzenden steuerlichen Werten zu Grunde zu legen.[7]

Den nach Eintritt des Erbfalls entstandenen Schäden an den Gebäuden und den übrigen Sachen kommt keine Bedeutung für die Steuerfestsetzung zu.

 

Rz. 11

[Autor/Stand] Auf das Stichtagsprinzip stellte der BFH auch ab, als er entschied, dass eine in Gründung befindliche GmbH & Co. KG, an der eine natürliche Person beteiligt ist und die keine Handelsgewerbe betreibt, bei Anwendung des § 13a ErbStG nicht vor ihrer Eintragung in das Handelsregister als gewerblich geprägte Personengesellschaft beurteilt werden kann.[9] Denn für die gewerbliche Prägung einer GmbH & Co. KG i.S. des Einkommensteuergesetzes kommt es darauf an, ob zum maßgeblichen Stichtag – hier: dem Bewertungsstichtag gem. § 11 ErbStG – sowohl die Komplementär-GmbH als auch die KG selbst in das Handelsregister eingetragen sind. Auf die weitere zeitliche Entwicklung und die ggf. spätere Eintragung der Gesellschaften kommt es dann nicht mehr an.

 

Rz. 12

[Autor/Stand] In seiner Entscheidung vom 16.8.2006[11] hatte der BFH die Frage zunächst offen gelassen, ob an der bisherigen erbschaftsteuerrechtlichen Behandlung latenter Einkommensteuern nach der Aufhebung des § 35 EStG a.F. aus Vereinfachungsgründen mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 1999 durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002[12] noch festgehalten werden könne. Im Nachgang entschied der BFH jedoch, dass die beim Erben entstehende Einkommensteuer nicht als Nachlassverbindlichkeit bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer abgezogen werden kann, wenn ihm Zinsen aus dem Nachlass zufließen; dies gelte auch für die Veranlagungszeiträume 1999 bis 2008, in denen nach der Aufhebung des § 35 EStG a.F. und vor der Einführung des § 35b EStG die Doppelbelastung nicht durch eine Anrechnungsregelung bei der Einkommensteuer abgemildert werde.[13] Erbschaftsteuer und Einkommensteuer griffen auf verschiedene Steuerobjekte zu und folgen dabei ihrer jeweiligen Sachgerechtigkeit. Die Erbschaftsteuer belaste den Vermögensanfall durch Erbschaft und berücksichtigte hierbei bereicherungsmindernd nur Verbindlichkeiten, die zum maßgebenden Stichtag (Tod des Erblassers) tatsächlich bestünden. Die Einkommensteuer erfasse demgegenüber das Einkommen beim Erben als Rechtsnachfolger des Erblassers auch dann, wenn der Erblasser zu seinen Lebzeiten eine Ursache für diese Einkünfte gesetzt habe. Die mögliche künftige Einkommensteuer treffe den Erben dabei aber nicht in seiner Eigenschaft als Bedachter einer unentgeltlichen Zuwendung, sondern als Einkommensbezieher und richte sich demgemäß allein nach den für ihn geltenden Merkmalen, vor allem nach der Höhe des von ihm erzielten steuerlichen Einkommens.[14]

 

Rz. 13

[Autor/Stand] Der durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 "aus Vereinfachungsgründen"[16] aufgehobene § 35a EStG wurde ab dem Veranlagungszeitraum 2009 als § 35b EStG durch das Erbschaftsteuerreformgesetz vom 24.12.2008[17] nahezu wortgleich wieder eingeführt. Durch die erhöhten Bemessungsgrundlagen des steuerpflichtigen Erwerbs in Folge der Reform des Bewertungsgesetzes zum 1.1.2009 wird es bei allen steuerverhafteten Vermögensgegenständen zu einer Doppelbelastung mit Erbschaftsteuer und Einkommensteuer kommen, bei denen die ertragsteuerlichen Werte unter den für die Zwecke der Erbschaftsteuer anzusetzenden gemeinen Werte liegen. Denn in diesen Fällen wird der gemeine Wert eines solchen Vermögensgegenstandes zunächst in die Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer eingehen. Kommt es dann ertragsteuerlich zu einer Realisierung stiller Reserven – z.B. durch Betriebsaufgabe, V...

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