I. Vorbemerkung

 

Rz. 1

[Autor/Stand] Die Jahresrohmiete ist Teil des pauschalierten und typisierten Ertragswertverfahrens für bebaute Grundstücke. Anzuwenden ist das Ertragswertverfahren bei der Einheitswertfeststellung für Zwecke der Grundsteuer.

Bei Bewertungen für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer ist ebenfalls ein Ertragswertverfahren vorgesehen, das sich jedoch nach §§ 184189 BewG richtet. Für Zwecke der Grunderwerbsteuer gilt für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.1996 und vor dem 1.1.2009 das vom Grundstücksertrag abhängende Bewertungsverfahren nach § 146 BewG.

Für Bewertungszeitpunkte ab dem 1.1.2009 hat das BVerfG mit Beschluss vom 23.6.2015[2] entschieden, dass die Anwendung der §§ 138 ff. BewG für Zwecke der Grunderwerbsteuer verfassungswidrig ist. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, bis zum 30.6.2016 rückwirkend eine Neuregelung für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2009 zu schaffen. Bemerkenswert ist die Rückwirkung der Entscheidung. Damit wirft das BVerfG dem Gesetzgeber – m.E. zu Recht – vor, dass ihm die Verfassungswidrigkeit der §§ 138 ff. BewG mit dem Beschluss des BVerfG vom BVerfG v. 7.11.2007[3] bewusst gewesen sein muss.

Die erforderliche gesetzliche Neuregelung ist bereits mit dem Steueränderungsgesetz 2015[4] (ursprünglich "Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung zum Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuer-licher Vorschriften") realisiert worden. Inhaltlich erfolgt die Umsetzung der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts durch eine Änderung des § 8 Abs. 2 GrEStG. Nunmehr wird zur Ermittlung der Ersatzbemessungsgrundlage auf die §§ 157 ff. BewG verwiesen. Die Neuregelung ist auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 31.12.2008 verwirklicht werden.

Das nach § 79 BewG für Zwecke der Grundsteuer vorgesehene Ertragswertverfahren ist von der Entscheidung des BVerfG zur Grunderwerbsteuer nicht betroffen. Somit gilt § 79 BewG für Zwecke der Grundsteuer unverändert weiter.

Das Ertragswertverfahren wird trotz des Ansatzes der Jahresrohmiete (Bruttomiete) auch als Reinertragsverfahren bezeichnet. Bei der Bildung der auf die Jahresrohmiete anzuwendenden Vervielfältiger sind die Abweichungen zwischen dem Roh- und Reinertrag bereits entsprechend berücksichtigt worden. Der Grundstückswert wird daher letztlich durch Kapitalisierung des Reinertrags unter Berücksichtigung der gewöhnlichen Nutzungsdauer des Grundstücks ermittelt. Die Jahresrohmiete umfasst im Gegensatz zum Reinertrag auch Bewirtschaftungskosten, Zinsabschreibung und Gebäudeabschreibung.

[Autor/Stand] Autor: Mannek, Stand: 01.01.2016
[4] Steueränderungsgesetz 2015 v. 2.11.2015, BGBl. I 2015, 1834.

II. Begriff

 

Rz. 2.1

[Autor/Stand] Das Bewertungsgesetz unterscheidet begrifflich zwischen der Jahresrohmiete (§ 79 Abs. 1 BewG) und der üblichen Miete (§ 79 Abs. 2 BewG). Sowohl der Jahresrohmiete als auch der üblichen Miete liegen die gleichen Ermittlungsgrundsätze zu Grunde. Bei Fortschreibungen und Nachfeststellungen auf aktuelle Stichtage kommt der tatsächlich vereinbarten Miete i.S.d. § 79 Abs. 1 BewG in der Praxis nahezu keine Bedeutung mehr zu. Denn es dürfte in der Praxis nur wenige Gebäude geben, die im Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.1964 vermietet waren und bei denen bis zum aktuellen Fortschreibungsstichtag keinerlei Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten ist. Dennoch sind die Grundsätze zur Bestimmung der Jahresrohmiete auch bei der Ermittlung der üblichen Miete i.S.d. § 79 Abs. 2 BewG zu beachten. Die Ermittlungsgrundsätze wurden für die Hauptfeststellung auf den 1.1.1964 aufgestellt. Sie finden trotz des seit über 50 Jahren währenden Hauptfeststellungszeitraums weiterhin Anwendung und beeinflussen insoweit die Ermittlung des Grundstückswerts.

 

Rz. 2.2

[Autor/Stand] Derzeit sind mehrere Verfahren beim BVerfG anhängig, bei denen es um die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Einheitsbewertung geht. Die Finanzämter erteilen Bescheide über die Feststellung des Einheitswerts dementsprechend mit einem Vorläufigkeitsvermerk.

 

Rz. 2.3

[Autor/Stand] Hierzu sind folgende gleich lautende Erlasse der Länder vom 18.5.2015 ergangen:

Vorläufige Einheitswertfeststellungen und vorläufige Festsetzungen des Grundsteuermessbetrags

Feststellungen der Einheitswerte für Grundstücke (§ 19 Abs. 1, §§ 68 und 70, § 129 Abs. 2 BewG) und für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft (§ 19 Abs. 1, §§ 33, 48a und 51a BewG) sowie Festsetzungen des Grundsteuermessbetrags sind im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten hinsichtlich der Frage, ob die Vorschriften über die Einheitsbewertung des inländischen Grundbesitzes verfassungsgemäß sind, vorläufig nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO durchzuführen. In die Bescheide ist folgender Erläuterungstext aufzunehmen:

Einheitswertfeststellungen:

"Die Feststellung des Einheitswerts ist gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufig hinsichtlich der Frage, ob die ...

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