a) Entwicklung

 

Rz. 212

[Autor/Stand] Erstmals für die Hauptveranlagung der Vermögensteuer und Hauptfeststellung der Einheitswerte der gewerblichen Betriebe 1953 ist das Stuttgarter Verfahren erarbeitet und angewendet worden (Anteilsbewertungs-Richtlinien 1953 vom 14.2.1955 – AntBewR 1953[2]). In Abkehr vom zuvor angewendeten Berliner Verfahren wird als gemeiner Wert nicht mehr der Mittelwert zwischen Vermögenswert und Ertragswert angesetzt. Nach dem Stuttgarter Verfahren wirkt sich der Substanzwert auf den gemeinen Wert der Anteile höher aus als der Ertragswert (s. unten Anm. 167). Zu den Gründen dieser Änderung s. Boettcher[3].

b) Verfahren

 

Rz. 213

[Autor/Stand] Das Stuttgarter Verfahren ist eine Variante der Übergewinnmethode; es berücksichtigt neben dem Substanzwert die undiskontierten Erträge von fünf Jahren. Die Übergewinnmethode versteht den Unternehmenswert als Summe des Teilreproduktionswertes (Vermögenswertes) und des Mehrwertes, der darauf beruht, dass das zu bewertende Unternehmen Gewinne über den Normalgewinn hinaus, sog. Übergewinne, erwirtschaftet.[5] Abweichend von der reinen Übergewinnmethode wird durch das Stuttgarter Verfahren als Übergewinn nicht der Überschuss über die Normalverzinsung des Substanzwertes angesehen, sondern der Überschuss über die Normalverzinsung des (gesuchten) Unternehmenswerts. Der Normalgewinn ist damit nicht die Verzinsung des im Substanzwert steckenden Kapitals, sondern die Verzinsung des Kapitals, das den Unternehmenswert verkörpert.[6] Das auf der Übergewinnmethode beruhende Stuttgarter Verfahren wird der Vorschrift des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG gerecht. Das Gesetz schreibt nicht vor, mit welchem Gewicht das Vermögen einerseits und die Ertragsaussichten andererseits berücksichtigt werden müssen.[7]

 

Rz. 214

[Autor/Stand] Hinter dem Stuttgarter Verfahren verbirgt sich eine bestimmte Gewichtung des Substanzwerts (Teilreproduktionswert) und des Ertragswerts. Die Analyse der Bewertungsformel ergibt bei Annahme eines Kapitalisierungszinssatzes von 10 %, dass bei Ermittlung des gemeinen Werts nach dem Stuttgarter Verfahren der Substanzwert mit 2/3 und der Ertragswert mit 1/3 erfasst werden.[9] Bei Annahme eines Zinssatzes von 6 % (Abschn. 79 VStR 1963) wirkt sich auf den ermittelten gemeinen Wert der Substanzwert mit 84,75 % und der Ertragswert nur noch mit 15,25 % aus.[10] Dieses starke Übergewicht des Vermögenswertes führt nach BFH-Urteil vom 12.3.1980[11] dazu, dass die Ergebnisse des Stuttgarter Verfahrens bei guten Ertragsaussichten zum Teil erheblich hinter den Schätzungsergebnissen anderer Schätzungsmethoden zurückbleiben.[12] Das Stuttgarter Verfahren sei deshalb Ausdruck einer vorsichtigen Bewertung, die angesichts der Schwierigkeiten und Unsicherheiten der Unternehmensbewertung im Einklang mit den Schätzungsgrundsätzen des § 162 AO stehe. Dies sei jedenfalls dann der Fall, wenn die Ertragserwartungen höher sind als der jeweils angesetzte Kapitalisierungsfaktor. Auch Moxter führt in seiner Abhandlung[13] unter Abschn. V Nr. 3 aus, dass sich dem Stuttgarter Verfahren insofern keine einseitig fiskalische Orientierung nachsagen lässt, als der nach diesem Verfahren ermittelte Unternehmenswert eine "vorsichtig ermittelte" Größe ist.

c) Auswirkungen bei Zinsänderungen

 

Rz. 215

[Autor/Stand] In der Vergangenheit wurden der Schätzung des gemeinen Werts an Kapitalgesellschaften nach dem Stuttgarter Verfahren folgende Zinssätze zugrunde gelegt (Abschn. 79 VStR 1986 und 1989 sowie Abschn. 8 VStR 1993 und 1995):

 
1986: Zinssatz 10 % Formel: 66 % × (V + 5 E);
1989: Zinssatz 8 % Formel: 70 % × (V + 5 E);
1993: Zinssatz 10 % Formel: 66 % × (V + 5 E);
1995: Zinssatz 9 % Formel: 68 % × (V + 5 E);
ab 1999: Zinssatz 9 % Formel: 68 % × (V + 5 E).
 

Rz. 216

[Autor/Stand] Die Absenkung des Zinssatzes führt zu einer Erhöhung des Anteilswerts, die Erhöhung des Zinssatzes dagegen zu einer Ermäßigung des Anteilswerts. Dies zeigen die Berechnungsbeispiele in Abschn. 8 Abs. 2 VStH 1993 und 1995. Bei angenommenen gleichen Verhältnissen der Kapitalgesellschaft errechnet sich bei einem Zinssatz von 10 % ein Anteilswert von 120 % und bei einem Zinssatz von 9 % ein Anteilswert von 124 %. Die Absenkung des Zinssatzes um einen Prozentpunkt bewirkt eine Erhöhung des Anteilswerts um vier Prozentpunkte.

 

Rz. 217

[Autor/Stand] Die Änderung des Zinssatzes bewirkt auch, dass sich das Verhältnis von Vermögenswertanteil und Ertragswertanteil bei der Bewertung nach dem Stuttgarter Verfahren ändert. Nach der Analyse der Bewertungsformel von Moxter (s. oben Anm. 166) schwankt der Ertragsanteil bei den oben in Anm. 167 genannten Zinssätzen zwischen 34 % bei einem Zinssatz von 10 % und 30 % bei einem Zinssatz von 8 %. Dies wird jedoch zum Teil bestritten.[17] Danach bedeute der Ausdruck innerhalb der Klammer (V + 5 E) auch dann noch einen Vermögenswertanteil von 2/3 und einen Ertragswertanteil von 1/3, wenn der Bruch vor der Klammer verändert werde; denn nach der betriebswirtschaftlichen Ertragswertermittlung stehe der Ert...

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