Rz. 37

[Autor/Stand] Das BVerfG ist mit seinem am 31.1.2007 veröffentlichten Beschluss v. 7.11.2006 letztlich der Kritik gefolgt[2] und hat entschieden, dass der Gesetzgeber dafür sorgen müsse, für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2007 bei allen Vermögensgegenständen den gemeinen Wert anzusetzen. Der Beschl. des BVerfG v. 7.11.2006 trifft im Wesentlichen folgende Aussagen:

  • In dem Beschluss kommt das BVerfG zu dem Ergebnis, dass § 19 Abs. 1 ErbStG mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG unvereinbar ist, weil die einzelnen Vermögensgegenstände mit unterschiedlichen Werten angesetzt werden, obwohl für alle Vermögensarten ein einheitlicher Steuersatz gilt.
  • Eine den Gleichheitssätzen des Grundgesetzes entsprechende Besteuerung sei nur gewährleistet, wenn zunächst eine Bewertung der Vermögensgegenstände mit dem gemeinen Wert angestrebt werde. Erst in einem weiteren Schritt sei es möglich, Verschonungsregelungen für bestimmte Vermögensgegenstände vorzusehen.
  • Dem Gesetzgeber wurde vom BVerfG aufgegeben, spätestens bis zum 31.12.2008 für eine verfassungsgemäße Ausgestaltung des Erbschaftsteuerrechts zu sorgen.

a) Bewertungsziel "gemeiner Wert"

 

Rz. 38

[Autor/Stand] Die Erbschaftsteuer ist als Erbanfallsteuer konzipiert. Sie besteuert damit nicht den Nachlass als solchen, sondern die beim jeweiligen Empfänger mit dem Erbfall eintretende Bereicherung. Der Gesetzgeber verfolgt mit der Erbschaftsteuer in ihrer derzeitigen Ausgestaltung das Ziel, den durch Erbfall oder Schenkung anfallenden Vermögenszuwachs jeweils gemäß seinem Wert zu erfassen und die daraus resultierende Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Erwerbers zu besteuern.

 

Rz. 39

[Autor/Stand] Diese Belastungsentscheidung des Gesetzgebers muss bei der Bewertung des übertragenen Vermögens als erstem Schritt der Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage dadurch Rechnung getragen werden, dass die Werte aller Vermögensgegenstände in ihrer Relation zueinander realitätsgerecht abgebildet werden. Dazu muss sich das Gesetz auf der Bewertungsebene am gemeinen Wert als dem maßgeblichen Bewertungsziel orientieren. Denn die durch den Vermögenszuwachs beim Erwerber entstandene finanzielle Leistungsfähigkeit besteht darin, dass er aufgrund des Vermögenstransfers über Geld bzw. Wirtschaftsgüter mit einem Geldwert verfügt. Den Geldwert kann der Erwerber regelmäßig nur durch einen Verkauf realisieren. Deshalb wird die durch den Erwerb eines nicht in Geld bestehenden Wirtschaftsguts vermittelte finanzielle Leistungsfähigkeit durch den bei einer Veräußerung unter objektivierten Bedingungen erzielbaren Preis bemessen. Dieser entspricht dem gemeinen Wert i.S. des § 9 Abs. 2 BewG.

 

Rz. 40

[Autor/Stand] Zum gemeinen Wert führt das BVerfG aus[6]:

„Nur dieser bildet den durch den Substanzerwerb vermittelten Zuwachs an Leistungsfähigkeit zutreffend ab und ermöglicht eine gleichheitsgerechte Ausgestaltung der Belastungsentscheidung.

Selbst bei Wirtschaftsgütern, deren Wert typischerweise durch ihren regelmäßig anfallenden Ertrag realisiert wird, ist nicht notwendig der Ertragswert der einzig "wahre" Wert zur Bestimmung des Vermögenszuwachses, weil auch bei ihnen die Realisierung des Verkehrswerts durch Veräußerung nicht ausgeschlossen ist. Daher bedarf es in dem generell am Substanzzugewinn orientierten System der Erbschaft- und Schenkungsteuer auch bei solchen Wirtschaftsgütern zur Vergewisserung einer belastungsgleichen Besteuerung des Rückgriffs auf den Verkehrswert, auch wenn dieser anhand einer Ermittlungsmethode gewonnen werden mag, die wesentlich durch die Summe in einer bestimmten Zeiteinheit zu erwartender Erträge aus dem Wirtschaftsgut bestimmt wird. In grundsätzlicher Übereinstimmung hiermit hat das Bundesverfassungsgericht bereits in seinem Beschluss zur Einheitsbewertung von Grundbesitz für die Erbschaftsteuer aus dem Jahre 1976 ausgeführt, dass die Erbschaftsteuer eine auf die Substanz und nicht auf den Ertrag der zugewendeten Bereicherung gelegte Steuer ist, weshalb es weniger nahe liege, den Grundbesitz mit Ertragswerten zu bewerten.”[7]

 

Rz. 41

[Autor/Stand] Das BVerfG lässt dem Gesetzgeber bei der Wahl der Wertermittlungsmethoden für die einzelnen Arten von Vermögensgegenständen weiterhin einen erheblichen Spielraum. Der Gesetzgeber ist danach bei der Wahl der Ermittlungsmethode grundsätzlich frei. Jedoch muss gewährleistet sein, dass alle Vermögensgegenstände in einem "Annäherungswert an den gemeinen Wert"[9] erfasst werden. Das BVerfG führt aus[10]:

"Inwieweit die praktische Umsetzung einer gleichheitsgerechten, am Verkehrswert orientierten Bewertung auch bei Zugrundelegung verschiedener Wertermittlungsmethoden für einzelne Gruppen von Vermögensgegenständen möglich ist, ist zunächst keine verfassungsrechtliche Frage, sondern ein im Gesetzgebungsverfahren zu lösendes steuertechnisches Problem. Es ist insoweit nicht Sache des BVerfG, nachzuprüfen, ob der Gesetzgeber im Einzelfall die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung gefunden hat."

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