2.2.2.1 Begriff der Krankheit

 

Rz. 165

Eine Definition des Begriffs der Krankheit enthält das SGB XI selbst nicht. Nach der ständigen Rechtsprechung von RVA und BSG ist eine Krankheit i. S. der gesetzlichen Krankenversicherung dann anzunehmen, wenn ein regelwidriger körperlicher oder geistiger Zustand vorliegt, der entweder Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit oder beides zur Folge hat und vom Leitbild des gesunden Menschen abweicht (vgl. z. B. BSG, Urteil v. 20.10.1972, 3 RK 93/71; BSG, Urteil v. 12.11.1985, 3 RK 48/83; BSG, Urteil v. 10.2.1993, 1 RK 14/92; BSG, Urteil v. 19.10.2004, B 1 KR 3/03 R; BSG, Urteil v. 28.2.2008, B 1 KR 19/07 R). Der durch die ständige Rechtsprechung geprägte krankenversicherungsrechtliche Krankheitsbegriff ist bei der Auslegung des Krankheitsbegriffs in § 14 SGB XI heranzuziehen.

2.2.2.2 Begriff der Behinderung

 

Rz. 166

Der Begriff der Behinderung wird im SGB XI nicht erläutert. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX liegt eine Behinderung vor, wenn die körperlichen Funktionen, geistigen Fähigkeiten oder die seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und hierdurch die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Dieser Behinderungsbegriff findet grundsätzlich auch im Krankenversicherungsrecht Anwendung (BSG, Urteil vom 23.07.2002 – B 3 KR 66/01 R), so dass im Sinne einer einheitlichen Rechtsanwendung im Rahmen des § 14 SGB XI ebenfalls auf die Definition der Behinderung in § 2 Abs. 1 SGB IX zurückgegriffen werden kann.

 

Rz. 167

Zu unterscheiden sind Krankheit und Behinderung insofern voneinander, als die Behinderung auf einem als dauerhaft einzuschätzenden regelwidrigen körperlichen Zustand beruht, während der Krankheitsbegriff vorübergehende Regelabweichungen ausreichen lässt (BSG, Urteil v. 19.4.2004, B 1 KR 3/03 R). Allerdings entfaltet diese Unterscheidung bei der Beurteilung der Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI keine Wirkung, da § 14 Abs. 1 SGB XI mit der Formulierung "auf Dauer, voraussichtlich für mindestens 6 Monate" einen eigenständigen Zeitparameter vorgibt.

2.2.2.3 Pflegebedürftigkeit als Tatbestand der Pflegeversicherung

 

Rz. 168

Ähnlich wie der Krankheitsbegriff der Krankenversicherung ist auch der Begriff der Pflegebedürftigkeit als Tatbestand sowie dessen Auslegung durch die Rechtsprechung geprägt. Überdies ist in Abs. 1 klargestellt, dass Pflegebedürftigkeit infolge körperlicher, geistiger oder seelischer Krankheit mit einhergehendem Hilfebedarf für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens Leistungen nach §§ 28 ff. auslöst.

 

Rz. 169

Nach § 14 steht im Mittelpunkt der Definition des Begriffs Pflegebedürftigkeit die Hilflosigkeit des Pflegebedürftigen für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens. Neben dem Kreis der Schwer- und Schwerstpflegebedürftigen werden auch die erheblich Pflegebedürftigen in den Kreis der leistungsberechtigten Personen einbezogen. Die Hilflosigkeit muss nicht in sehr hohem Maße, sondern lediglich in erheblichem Maße bestehen.

 

Rz. 170

Die Einbeziehung der erheblich pflegebedürftigen Personen entspricht dem Zweck des Gesetzes, wonach die Pflegeversicherung eine möglichst breite Absicherung des Lebensrisikos Pflegebedürftigkeit bieten soll, wobei der Pflegebedürftige die Hilfe der Solidargemeinschaft erwarten kann. Bei Einführung der Pflegeversicherung war beabsichtigt, dass diese lediglich einen ersten Schritt zur Abdeckung des Gesamtrisikos darstellen sollte. Indes war an eine grenzenlose Ausdehnung des zu schützenden Personenkreises nicht gedacht. Geringfügige, gelegentliche oder nur kurzfristige Hilfeleistungen sollen nicht zu Lasten der Solidargemeinschaft gehen und von ihr finanziert werden. Dafür kann und soll der einzelne nach dem Grundsatz der Subsidiarität nicht die Hilfe der Solidargemeinschaft beanspruchen können, sondern, nach dem Willen des Gesetzes, selbst einstehen.

 

Rz. 171

Die soziale und private Pflegeversicherung gewährt ihren Versicherten nur dann Leistungen, wenn Pflegebedürftigkeit vorliegt. Für die Feststellung des Versicherungsfalls und die Zuordnung des Pflegebedürftigen zu sog. Pflegestufen (§ 15) ist unter anderem der Begriff der gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen, für die der Versicherte Hilfe benötigt, wesentlich (§ 14 Abs. 4). Das Gesetz nennt abschließend die Verrichtungen, die im Leistungsrecht bei der Unterstützung Pflegebedürftiger berücksichtigt werden. Diese Verrichtungen betreffen einzeln aufgezählte Vorgänge aus den Bereichen der Körperpflege, der Ernährung, der Mobilität und der hauswirtschaftlichen Versorgung (vgl. Rz. 20 ff.). Darüber hinausgehende Betreuungsleistungen sind für die Beurteilung der Pflegebedürftigkeit nicht maßgebend.

Sonderregelungen finden sich insoweit in §§ 45a bis c, welche Leistungen für Pflegebedürftige mit erheblichem allgemeinen Betreuungsbedarf vorsehen sowie in der Übergangsregelung des § 123, wonach Personen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz verbesserte Pflegeleistungen zustehen.

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