Rz. 8

Die angemessene Vergütung stellt ein weiteres Vertragsziel dar und gilt als wichtiges Gebot jeder ärztlichen/vertragsärztlichen Vergütungsregelung, insbesondere der Honorarverteilung (vgl. §§ 85 Abs. 4 für die vertragszahnärztliche Versorgung sowie 87b für die vertragsärztliche Versorgung). Schon deswegen, weil es sich bei der Norm des § 72 um eine Zielbestimmung handelt, kann aus ihr kein subjektives Recht des einzelnen Arztes auf Erhöhung des Honorars abgeleitet werden (BSG Urteil v. 8.12.2010, B 6 KA 42/09 R; Urteil v. 11.3.2009, B 6 KA 42/09 R; vgl. auch Hesral, in: jurisPK-SGB V, § 72 Rz. 65). Angemessene Vergütung i. S. d. Rechtsvorschrift heißt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass die Vergütung so bemessen sein muss, dass ein funktionierendes Versorgungssystem nach anerkanntem medizinischem Standard zu gewährleisten ist. Angemessene Vergütung bezieht sich demnach auf das Versorgungssystem insgesamt. Angemessenheit als ein unbestimmter und auf den einzelnen Vertrags(zahn)arzt nicht objektivierbarer Rechtsbegriff kann dabei nicht exakt auf einen bestimmten finanziellen Wert einer Leistung fixiert und auch nicht der Kostendeckung gleichgesetzt werden. Das BSG hat dazu im Urteil v. 14.3.2001 (B 6 KA 54/00 R) ausgeführt, dass eine Kostendeckung von einer Vielzahl von Faktoren abhängt, von denen einige vom Vertrags(zahn)arzt selbst zu beeinflussen sind (z. B. Kostenstruktur und Standort der Praxis, Qualität des Dienstleistungsangebots u. a.), sodass sich die Frage, ob für eine Leistung eine kostendeckende Vergütung zu erzielen ist, einer generellen Beantwortung entzieht. Dem Zuschnitt der vertrags(zahn)ärztlichen Vergütung liegt eine "Mischkalkulation" zugrunde, das heißt, dass es durchaus einzelne Leistungen geben kann, bei denen selbst für eine kostengünstig organisierte Praxis kein Gewinn zu erzielen ist. Gleichwohl muss auch eine vermeintlich oder tatsächlich nicht kostendeckende Leistung innerhalb der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung erbracht werden. Insbesondere darf der Vertrags(zahn)arzt sein Leistungsangebot im System der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung nicht davon abhängig machen, ob aus seiner Sicht die Leistung angemessen oder (vermeintlich) nicht angemessen honoriert wird, und sie deshalb den Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung auch nicht unter Missachtung des Sachleistungswegs privatärztlich anbieten. Entscheidend für die Angemessenheit ist nämlich nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass der Vertrags(zahn)arzt insgesamt Anspruch auf eine leistungsgerechte Teilhabe an der Gesamtvergütung (vgl. §§ 85, 87a ff.) hat, der in aller Regel dazu führt, dass das aus der vertrags(zahn)ärztlichen Tätigkeit erzielbare Einkommen den Ärzten/Zahnärzten hinreichenden Anreiz bietet, an der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung mitzuwirken. Bei der Beurteilung der Angemessenheit von Vergütungsregelungen sind daher grundsätzlich nicht die Interessen einzelner Vertrags(zahn)ärzte, sondern nur die der gesamten Gruppe maßgeblich, so dass eine Vergütungsregelung selbst dann nicht verfassungswidrig ist, wenn sie, was aber eher theoretischer Natur ist, im Einzelfall tatsächlich zur Existenzgefährdung einzelner Praxen führen sollte. Im Ergebnis ist deshalb festzuhalten, dass der einzelne Vertragsarzt/Vertragszahnarzt die Angemessenheit der Vergütung seiner vertrags(zahn)ärztlichen Leistungen nicht individuell einklagen kann. Wenn einzelne Vertrags(zahn)ärzte ihre vertrags(zahn)ärztliche Tätigkeit in der Vergangenheit aus finanziellen Gründen aufgegeben haben oder aufgeben mussten, beruhte dies stets auf anderen Ursachen als die angemessene Vergütungsregelung. Den Vertragspartnern bietet sich ein breites Spektrum angemessener Vergütungsregelungen (vgl. §§ 85 Abs. 3, 87a ff.). Nach der ständigen BSG-Rechtsprechung kann ein subjektives Recht auf höheres Honorar aus Abs. 2 erst dann in Betracht kommen, wenn in einem fachlich und/oder örtlichen Teilbereich kein ausreichender finanzieller Anreiz mehr besteht, vertragsärztlich tätig zu werden, und deshalb in diesem Bereich die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung gefährdet ist (so auch BSG, Urteil v. 8.12.2010, B 6 KA 42/09 R). Es kommt mithin auf die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung an; auch der sich nach aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG ableitende Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit garantiert dem Vertragsarzt keinen generellen Anspruch auf einen Ausgleich von Honorarunterschieden zwischen einzelnen Arztgruppen . Bei der Beurteilung, ob eine gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit verstoßende flächendeckend unzureichende Vergütung vertragsärztlicher Leistungen einer bestimmten Arztgruppe vorliegt, sind nämlich nach der ständigen Rechtsprechung neben den Einnahmen aus vertragsärztlicher Tätigkeit auch die Einnahmen aus privatärztlicher Tätigkeit sowie sonstiger Tätigkeit zu berücksichtigen (BSG, Beschlüsse v. 31.8.2005, B 6 KA 22/05 B, v. 23.5.2007, B 6 KA 27/06)....

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