2.6.4.1 Sozialrechtliches Leistungssystem

 

Rz. 24

Gemäß § 99 Abs. 1 GWB sind öffentliche Aufträge entgeltliche Verträge von öffentlichen Auftraggebern mit Unternehmen, die die Beschaffung von Leistungen, die Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen zum Gegenstand haben, von Baukonzessionen und Auslobungsverfahren, die zu Dienstleistungsaufträgen fuhren sollen. Nach § 99 Abs. 2 Satz 1 GWB, der im Wesentlichen Art. 1 Abs. 2 Buchst. c VKR nachgebildet ist, sind Lieferaufträge Verträge zur Beschaffung von Waren, die insbesondere Kauf oder Ratenkauf oder Leasing, Miet- oder Pachtverhältnisse mit oder ohne Kaufoption betreffen. Öffentliche Auftraggeber befolgen bei dem Abschluss von Rahmenvereinbarungen die Verfahrensvorschriften dieser Richtlinie in allen Phasen bis zur Zuschlagserteilung der Aufträge (vgl. auch Art. 32 Abs. 2 Satz 1 VKR). Dies gilt auch dann, wenn dem Auftragnehmer vertraglich nicht die Abnahme von Produkten zugesichert wird. Gemäß § 4 EG Abs. 1 VOL/A (zuvor § 3a Nr. 4 Abs. 1 Satz 1 VOL/A), der Art. 1 Abs. 5 VKR umsetzt, sind Rahmenvereinbarungen öffentliche Aufträge, die die Auftraggeber an ein oder mehrere Unternehmen vergeben können, um die Bedingungen für Einzelaufträge, die während eines bestimmten Zeitraums vergeben werden sollen, festzulegen, insbesondere über den in Aussicht genommenen Preis. Das krankenversicherungsrechtliche Leistungssystem wird geprägt durch den Sachleistungsanspruch (§ 2 Abs. 2 Satz 1) des Versicherten gegenüber den Krankenkassen. Dieser umfasst u. a. die Versorgung mit Arznei- und Hilfsmitteln. Der Leistungsanspruch des Versicherten wird durch den Vertragsarzt mit der ärztlichen Verordnung (§ 73 Abs. 2 Nr. 7) konkretisiert und durch weitere Leistungserbringer (Apotheker/Hilfsmittelerbringer) mit der Aushändigung des Arznei- bzw. Hilfsmittels erfüllt. Dabei wird (in jedem Einzelfall) nach allgemeiner Ansicht ein Kaufvertrag zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern – ohne Beteiligung z. B. des pharmazeutischen Unternehmens – geschlossen. Wegen dieser speziellen Art der Leistungserbringung, die sich von der "klassischen" Leistungserbringung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer unterscheidet, ist zu klären, ob es sich – insbesondere bei Verträgen nach § 130a Abs. 8 und § 127 – um öffentliche (Liefer-)Aufträge gemäß § 99 GWB handelt.

2.6.4.2 Exklusivität

 

Rz. 25

Rabattverträge nach § 130a Abs. 8 sind zumindest dann zu den öffentlichen Lieferverträgen i. S. v. Art. 1 Abs. 2 Buchst. c VKR zu zählen, wenn der Rabattvertrag eine Bestimmung enthält, nach der die Krankenkasse verpflichtet ist, keine weiteren Rabattverträge mit anderen pharmazeutischen Unternehmen abzuschließen, die vergleichbare Arzneimittel anbieten (Zusicherung von Exklusivität). In einem solchen Fall führt der Rabattvertrag i. V. m. der Ersetzungsverpflichtung des Apothekers nach § 129 Abs. 1 Satz 3 SGB V tatsächlich zu einem Wettbewerbsvorteil, den der Auftraggeber dem Unternehmer einräumt, um einen möglichst hohen Rabatt zu erzielen. Insoweit ist der Rabattvertrag als öffentlicher Auftrag in Form einer Rahmenvereinbarung gemäß § 4 EG Abs. 1 VOL/A (zuvor § 3a Nr. 4 Satz 1 VOL/A) zu werten. Das LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss v. 2.4.2009, L 21 KR 35/09 SFB) hat sich dieser Rechtsauffassung im Ergebnis angeschlossen. Es hat jedoch Bedenken geäußert und dazu ausgeführt: Ob Arzneimittelrabattverträge ausnahmslos als öffentliche Lieferaufträge i. S. d. vorgenannten Regelungen qualifiziert werden können, erscheint vor dem Hintergrund fraglich, dass nicht von einer typischen Beschaffungssituation ausgegangen werden kann, Krankenkassen keinen Einfluss auf das Verordnungsverhalten der Vertragsärzte haben und als weitere Entscheidungsebene Apotheken in die Arzneimittelversorgung einbezogen werden. Angesichts des Umstandes, dass dem Rabattvertragspartner Exklusivität zugesichert wird, unterliegt die Annahme eines öffentlichen Auftrages in Form eines Rahmenvertrags jedoch im Ergebnis keinen durchgreifenden Bedenken. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass in einem solchen Fall der Rabattvertrag i. V. m. der Ersetzungsverpflichtung des Apothekers nach § 129 Abs. 1 Satz 3 zu einem echten Wettbewerbsvorteil führt, den der Auftraggeber dem Rabattvertragspartner einräumt, um seinerseits einen möglichst hohen Rabatt zu erzielen.

Wenn in einem Rabattvertrag der Abschluss weiterer Rabattverträge ausdrücklich nicht ausgeschlossen wird und damit eine zugesicherte Exklusivität nicht besteht, kann am Vorliegen eines öffentlichen Auftrages gezweifelt werde. Jedoch ist im Ergebnis auch in einer solchen Fallkonstellation ein öffentlicher Auftrag zu bejahen. Denn die Gewährung von Rabatten in den Verträgen nach § 130a führt – in Form der durch die Unternehmer an die Krankenkassen gezahlten "Rückvergütung" – zu dem Bezug preisvergünstigter Arzneimittel. Die Rabattverträge schlagen eine "Brücke" zwischen den pharmazeutischen Unternehmern und den Krankenkassen als den Abnehmern der produzierten Arzneimittel. Das wirtschaftliche Ergebnis ist, dass sich die Krankenkassen nunmehr die von ihnen abgenom...

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