Rz. 9

Die Entscheidung, ob eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode zulasten der Krankenkassen abgerechnet werden darf, fällt mit Ausnahme der durch die Rechtsprechung entwickelten Sonderfälle "Seltenheitsfälle", "Systemmangel" bzw. "Leistungsanspruch kraft grundrechtsorientierter Auslegung", der durch das GKV-WSG ab 1.4.2007 eingefügten Regelung in Abs. 1 Satz 4 und 5 (durch das GKV-VSG mit Wirkung zum 23.7.2015 Satz 6 und 7) sowie der Leistungserbringung im Rahmen der Erprobung nach § 137e nur nach einer Bewertung durch den G-BA, der u. a. den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen und den Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen mit Wirkung zum 1.1.2004 ersetzt hat. Die Sicherstellung des nach § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V geforderten Versorgungsstandards für diese Methoden erfolgt also nicht jeweils im Einzelfall etwa durch den behandelnden Arzt, sondern einheitlich für die gesamte vertragsärztliche Versorgung (BSG, SozR 4-2500 §135 Nr. 1 m. w. N.). Die Aufgabe des G-BA als sachkundigem Gremium besteht nicht darin, selbst über den medizinischen Nutzen der Methode zu urteilen, sondern sich einen Überblick über die veröffentlichte Literatur und die Meinung der einschlägigen Fachkreise zu verschaffen und nach kritischer Bewertung festzustellen, ob ein durch wissenschaftliche Studien hinreichend untermauerter Konsens über die Qualität und Wirksamkeit der Behandlungsweise besteht (BSG, SozR 4-2500 § 135 Nr. 1; Hauck, NZA 2007 S. 461, 463 m. w. N.; Kingreen, MedR 2007 S. 457, 461). Der G-BA ermittelt den allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse auf der Grundlage der evidenzbasierten Medizin (vgl. Kap. 1 § 5 Abs. 2 der Verfahrensordnung des G-BA, a. a. O.). Die Methodenbewertung ist ungeachtet des nicht einheitlichen Wortlauts der einzelnen Regelungen grundsätzlich sektorenübergreifend.

Das gilt auch für etablierte Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die der G-BA daraufhin überprüft, ob ihr diagnostischer und therapeutischer Nutzen sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit noch dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht (§ 135 Abs. 1 Satz 2).

 

Rz. 10

Der G-BA entscheidet im Rahmen seiner Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (§ 135 Abs. 1 i. V. m. § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5), die in der Praxis als BUB-Richtlinien v. 10.12.1999 (BAnz 2000 S. 460) bekannt wurden (vorher NUB-Richtlinien als Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden v. 4.12.1990, BABl. Nr. 2/1991 S. 33 in der jeweiligen Fassung). Seit dem 1.4.2006 (vgl. BAnz 2006 S. 1523) sind die BUB-Richtlinien überführt in die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung (Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung in der zuletzt am 8.9.2016 in Kraft getretenen Fassung, abrufbar unter www.g-ba.de). In der Anlage I der Richtlinie sind die anerkannten Untersuchungs-und Behandlungsmethoden aufgeführt. Methoden, die nicht als vertragsärztliche Leistungen zulasten der Krankenkassen erbracht werden dürfen, sind in Anlage II aufgeführt und Methoden, deren Bewertungsverfahren ausgesetzt ist, in Anlage III. Das Verfahren zur Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden ist in der Verfahrensordnung des G-BA geregelt (zuletzt geändert am 17.3.16, in Kraft getreten am 23.9.2016, abrufbar unter www.g-ba.de, vgl. Rz. 28).

 

Rz. 11

Das Gesetz spricht zwar von Empfehlungen des G-BA, aber diese sind Bestandteil der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5, die mit dem BSG als untergesetzliche Rechtsnormen i. V. m. Abs. 1 (vgl. "dürfen ... nur erbracht werden") für Vertragsärzte, Krankenkassen und Versicherte (insoweit a. A. Schmidt-De Caluwe, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 135 Rz. 28) verbindlich festlegen, welche Untersuchungs- und Behandlungsmethoden Gegenstand der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung und damit der Leistungspflicht der Krankenkassen sind (vgl. § 91 Abs. Abs. 6). Die Übertragung der Rechtsetzungsbefugnis auf den G-BA ist, wie das BSG erstmals in seinen Urteilen v. 16.9.1997 (1 RK 14/96 und 1 RK 30/95, SozSich 1998 S. 395; 1 RK 28/95, BSGE 81 S. 54; 1 RK 32/95, BSGE 81 S. 73; inzwischen st. Rspr., vgl.zuletzt BSG, Urteil v. 15.12.2015, B 1 KR 30/15, juris Rz. 43 ff. unter Berücksichtigung des Beschlusses des BVerfG v. 10.11.2015, 1 BvR 2056/12, juris Rz. 22; BSG, Urteil v. 20.4.2016, B 3 KR 18/15 R, juris Rz. 21) entschieden hat, mit dem Grundgesetz vereinbar. Nach dieser Rechtsprechung des BSG genügen die demokratische Legitimation der Bundesausschüsse bzw. des G-BA und die rechtliche Qualität der von ihnen erlassenen Richtlinien als außenwirksame untergesetzliche Rechtssätze den verfassungsrechtlichen Anforderungen (vgl. zu den verfassungsrechtlichen Bedenken: Schmidt-De Caluwe, in: Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl. 2014, § 92 Rz. 8 ff.; Kingreen, NZS 2007 S. 113; vgl. auch Wiegand, in: jurisPK SGB V, § 92 Rz. 31). Dies hatte das BVerfG in seinem Beschluss v. ...

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