Rz. 8e

Die systematische und die entstehungsgeschichtliche Auslegung der Norm sowie die hinreichend dokumentierte Regelungsabsicht des Gesetzgebers führen nach dem Urteil des BSG v. 30.9.2015 (B 3 KR 1/15 R, BSG-Pressemitteilung v. 1.10.2015) zu dem Ergebnis, dass in Abs. 3b Satz 1 ausschließlich auf die Patentfreiheit des Wirkstoffs abgestellt wird. Das System der Versorgung der Versicherten mit Arzneimitteln ist zentral auf die Wirkstoffe dieser Arzneimittel bezogen. Ärzte können nach § 129 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Wirkstoffe verordnen und für die Zuordnung von Arzneimitteln zu Festbetragsgruppen sind die jeweiligen Wirkstoffe maßgeblich. Von daher liegt es nach der Urteilsbegründung nahe, für die Abgrenzung von patentgeschützten Arzneimitteln und Generika (Anm. auch patentfreie Referenzarzneimittel) allein auf den Patentschutz für den jeweiligen Wirkstoff abzustellen. Ein etwaiger Patentschutz für andere Bestandteile des jeweiligen Arzneimittels hat demnach für diese Abgrenzung keine Bedeutung. Wenn also der Patentschutz erlischt, sind konkurrierende pharmazeutische Unternehmer grundsätzlich berechtigt, eigene Produkte mit demselben Wirkstoff (Generika) in Verkehr zu bringen. Das Entstehen eines generikafähigen Marktes kann der Patentinhaber daher nur solange verhindern, wie er anderen pharmazeutischen Unternehmern wegen der Laufzeit eines Wirkstoffpatents oder eines entsprechenden ergänzenden Schutzzertifikats untersagen kann, den geschützten Wirkstoff zur Herstellung von Nachahmerprodukten zu benutzen.

Neben der Wirkstoffpatentfreiheit ist als weiteres Tatbestandsmerkmal für die Unterwerfung des Arzneimittels unter die Generikaabschlagspflicht in Abs. 3b Satz 1 die Wirkstoffgleichheit des Arzneimittels aufgeführt. Nach der Begründung im o. a. BSG-Urteil ist hervorzuheben, dass die "Wirkstoffgleichheit" von der "Wirkungsgleichheit" bzw. der "Wirkgleichheit" zu unterscheiden ist. Was ein Wirkstoff ist, ergibt sich aus § 4 Abs. 19 AMG. Danach sind Wirkstoffe Stoffe, die dazu bestimmt sind, bei der Herstellung von Arzneimitteln als arzneilich wirksame Bestandteile verwendet zu werden oder bei ihrer Verwendung in der Arzneimittelherstellung zu arzneilich wirksamen Bestandteilen der Arzneimittel zu werden. Bei der Auslegung des Begriffs "wirkstoffgleich" i. S. d. Abs. 3b ist aber nach der Urteilsbegründung zusätzlich die Regelung des § 24b Abs. 2 Satz 1 und 2 AMG zu beachten. Danach erfordert die Zulassung als Generikum, dass das betreffende Arzneimittel die gleiche Zusammensetzung der Wirkstoffe nach Art und Menge und die gleiche Darreichungsform wie das Referenzarzneimittel aufweist und die Bioäquivalenz durch Bioverfügbarkeitsstudien nachgewiesen wurde. Die verschiedenen Salze, Ester, Isomere, Mischungen von Isomeren, Komplexe oder Derivate eines Wirkstoffs gelten als ein und derselbe Wirkstoff, es sei denn, ihre Eigenschaften unterscheiden sich erheblich hinsichtlich der Unbedenklichkeit oder der Wirksamkeit.

Nach Abs. 3b erhalten die Krankenkassen vom 1.4.2006 an für patentfreie, wirkstoffgleiche Arzneimittel einen Herstellerrabatt in Höhe von 10 % auf den Abgabepreis ohne Mehrwertsteuer. Dieser gesetzlich vorgegebene Abschlag ist auf Dauer und als Folge davon eingeführt worden, dass nach dem Heilmittelwerbegesetz i. d. F. v. 19.10.1994 (BGBl. I S. 3068) die Gewährung von Zuwendungen für apothekenpflichtige Arzneimittel mit Wirkung ab 1.5.2006 ausgeschlossen worden ist (vgl. Art. 2 des Gesetzes zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung). Zuwendungen in diesem Sinne sind insbesondere Naturalrabatte an Apotheken beim Einkauf über den Großhandel oder einem Direkteinkauf beim pharmazeutischen Unternehmer (Abgabe von Arzneimittelpackungen ohne Berechnung), Bonuszahlungen, Rückvergütungen oder Werbungszuschüsse, welche die Apotheken bisher in größerem Umfang gefordert und erhalten hatten. Sie hatten sich damit zusätzliche geldwerte Vorteile verschafft, die in der AMPreisV nicht vorgesehen, aber nach der früheren Fassung des Heilmittelwerbegesetzes auch nicht verboten waren, indem sie z. B. kostenlose Arznei-Packungen angenommen und zum vollen Listenpreis weiter verkauft hatten. Hierdurch war im Ergebnis der einheitliche Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers unterschritten worden, ohne dass diese Preisvorteile an die Endverbraucher und die Kostenträger weitergegeben worden sind. Das bundeseinheitliche Verbot von Zuwendungen für Arzneimittel trägt dazu bei, in Deutschland eine einheitliche Markt- und Wettbewerbsordnung zu gewährleisten. Auch die Krankenhausapotheken sind in das Zuwendungsverbot generell einbezogen (vgl. § 128 Abs. 6). Das Zuwendungsverbot gilt sowohl für Arzneimittel im Zusammenhang mit der Leistungserbringung nach § 116b (ambulante Behandlung im Krankenhaus) als auch jeweils gegenüber Ärzten in Krankenhäusern und Krankenhausträgern. Damit wird z. B. auch vermieden, dass Krankenhauspatienten mittels kostenloser Arzneimittel-Lieferungen der pharmazeutischen Unternehme...

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