Rz. 11

Eine Klage gegen die Entscheidung der Landesschiedsstelle kann jeder Landesverband der Krankenkassen, die Landesvertretung des vdek und die mit den Aufgaben eines Landesverbandes betraute Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See einzeln oder zusammen als sog. Streitgenossenschaft durchführen. Ebenso kann die Landeskrankenhausgesellschaft die Entscheidung der Landesschiedsstelle beklagen.

Weder Wortlaut und Systematik noch Entstehungsgeschichte und Normzweck legen nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nahe, dass die materiell-rechtliche Verpflichtung der Vertragspartner zum Abschluss von gemeinsamen Sicherstellungsverträgen oder die gemeinsame Bildung der Landesschiedsstelle auf prozessualer Ebene zwangsläufig ein gemeinsames Handeln im Aktivprozess nach sich zieht (BSG, Urteil v. 13.11.2012, B 1 KR 27/11 R). Ziel des Auftrags an die Vertragspartner nach § 112 ist es nach der Urteilsbegründung, durch (für zugelassene Krankenhäuser und Krankenkassen gleichermaßen verbindliche) Verträge eine bedarfsgerechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Krankenhausbehandlung der Versicherten zu gewährleisten. Die Norm bezweckt dementsprechend eine einheitliche Sicherstellung der Versorgung der Versicherten mit Krankenhausleistungen i. S. d. § 39 auf der Landesebene. Kommt ein Vertrag ganz oder teilweise nicht zustande, wird sein Inhalt durch die Landesschiedsstelle für alle Beteiligten einheitlich festgesetzt. Dem entspricht auf prozessualer Ebene die Notwendigkeit einer einheitlichen Sachentscheidung, die durch die Streitgenossenschaft auch ohne die gesteigerte Verpflichtung der Vertragspartner zum "gemeinsamen und einheitlichen" Vorgehen in den Fällen des § 211a Satz 1 (Bestellung des Prüfers) hergestellt werden kann. Auch wenn danach die Vertragspartner als notwendige Streitgenossen auftreten können, ist eine notwendige Streitgenossenschaft für Aktivprozesse gegen die Festsetzung der Schiedsstelle dergestalt, dass sie zulässig nur im Wege einer gemeinsamen Klage geführt werden können, nicht zwingend. Ausreichend ist ein prozessualer Rahmen, der die notwendige einheitliche Sachentscheidung durch das Gericht gewährleistet. Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, wird eine einheitliche Sachentscheidung im Sozialrechtsstreit insoweit auch durch eine echte notwendige Beiladung sichergestellt (§ 75 SGG).

Nach dem vorgenannten BSG-Urteil (bestätigt im Urteil v. 4.3.2014, B 1 Kr 16/13 R, Rz. 21) ist allein die Anfechtungsklage, nicht aber eine hiermit verknüpfte Verpflichtungs- oder Bescheidungsklage statthaft, wenn eine der an der Normsetzung beteiligten Institutionen nach § 112 gegen einen Schiedsspruch nach der Vorschrift klagt. Denn der Schiedsspruch hat rechtlich eine Doppelnatur. Er wirkt, soweit er einen Vertrag ersetzt, nach der ständigen BSG-Rechtsprechung wie ein Normenvertag nach § 112. Gegenüber den an der Normsetzung beteiligten Institutionen nach § 112 ist er aber ein Verwaltungsakt i. S. v. § 31 SGB X.

Sind daher die an der Normsetzung beteiligten Institutionen mit dem Schiedsspruch nicht einverstanden, steht ihnen lediglich die Anfechtungsklage offen. Die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage trägt dem Selbstverwaltungsrecht der Vertragspartner nach § 112 und dementsprechend der Kompetenz der Schiedsstelle nach der Vorschrift Rechnung. Es bleibt der Schiedsstelle überlassen, ob sie es nach einer gerichtlichen Teilaufhebung eines Schiedsspruchs bei der nach verbleibender Restregelung belassen oder eine abweichende Gesamtregelung treffen will. Die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage vermeidet zudem Probleme der beteiligtenbezogenen Teilrechtskraft bei Bescheidungsurteilen, die für Entscheidungen über Normenverträge Unzuträglichkeiten und Rechtsunsicherheit verursachen. Insbesondere ist es mit der gerichtlichen Kontrollfunktion der Schiedssprüche nach der Vorschrift wegen ihrer Doppelfunktion als Verwaltungsakt und Normenvertrag nicht vereinbar, höherrangigem Recht widersprechende Rechtsauffassungen einer Vorinstanz in Rechtskraft erwachsen zu lassen, wenn nur Teile der Rechtsauffassung im Streit verbleiben oder durch die Rechtsauffassung der Vorinstanz begünstigte Rechtsmittelführer lediglich noch darüber hinausgehende Ansprüche verfolgen. Das wäre aber Folge der Qualifikation als Bescheidungsbegehren. Weil die Rechtskraftwirkung auf die Verfahrensbeteiligten beschränkt wäre, nämlich auf die an der Normsetzung beteiligten Institutionen, könnten hieraus erwachsene Fehler – etwa aufgrund Unvereinbarkeit der instanzgerichtlichen Auffassung mit höherrangigem Recht – erst in weiteren Gerichtsverfahren im Rahmen der gerichtlichen Inzidentkontrolle korrigiert werden, welche Beteiligte betreiben, die dem Normenvertrag unterworfen sind. Im Ergebnis würde dann nämlich das Gerichtsverfahren gegen einen Schiedsspruch nach § 114 – funktionswidrig – auf ein Rechtsgutachten zu Teilaspekten des Rechtsstreits reduziert.

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