Infolge der Verlegung ihres Sitzes als Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung kann eine Kapitalgesellschaft aus der unbeschränkten Stpfl. ausscheiden. Zwar wird der statuarische Sitz regelmäßig im Inland verbleiben; damit besteht weiterhin nach deutschem Steuerrecht unbeschränkte Stpfl. Allerdings ist eine solche doppelt ansässige Gesellschaft abkommensrechtlich nur im Staat der tatsächlichen Geschäftsleitung und damit im Ausland ansässig. Daher wird das deutsche Besteuerungsrecht regelmäßig eingeschränkt, wenn mit dem Ausland ein DBA besteht. Zwar verbleibt möglicherweise im Inland einer Betriebsstätte, die im Rahmen der beschränkten Stpfl. besteuert wird. Häufig können aber gerade immaterielle Wirtschaftsgüter (Know-how, Lizenzen u. Ä.) nicht der inl. Betriebsstätte, sondern nur dem ausl. Stammhaus zugeordnet werden. Gerade diese Wirtschaftsgüter enthalten aber teilweise erhebliche stille Reserven, die im Inland der Besteuerung unterworfen werden sollen.

Erfolgt eine solche Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu einer ausländischen Betriebsstätte, wird eine (fiktive) Veräußerung angenommen, wenn das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder Nutzung von Wirtschaftsgütern ausgeschlossen oder beschränkt wird. Da die Besteuerung der stillen Reserven nur dann erfolgt, wenn der Sitz ins Ausland verlegt wird, nicht aber bei einer Sitzverlegung innerhalb Deutschlands, ist dies im Hinblick auf die Europäischen Grundfreiheiten und das darin enthaltene Diskriminierungsverbot ("Diskriminierungsverbot (EU)") problematisch. Allerdings ist es dem Wegzugsstaat unter europarechtlichen Gesichtspunkten nicht vollständig untersagt, die im Inland entstandenen stillen Reserven zu besteuern.[1] Für Fälle innerhalb der EU kann ein Ausgleichsposten gem. § 4g EStG gebildet werden, der linear über 5 Jahre aufzulösen ist. Wird der Sitz in einen Drittstaat verlegt, ist die Bildung eines derartigen Ausgleichspostens nicht möglich. Es kommt zur Sofortversteuerung der stillen Reserven.

Dies gilt allerdings nur für Sitzverlegungen in einen Staat, der zum Zeitpunkt der Sitzverlegung Mitgliedstaat der EU ist. Eine Sitzverlegung nach Großbritannien fällt nach einem BREXIT daher nicht mehr unter diese Regelung. Sofern die Sitzverlegung vor dem BREXIT erfolgt ist, muss der Ausgleichsposten mit dem BREXIT nicht aufgelöst werden, sondern kann weiter fortgeführt werden. Der Gesetzgeber hat mit § 4g Abs. 6 EStG eine entsprechende Regelung für diese Fälle eingeführt.

Eine Besteuerung der stillen Reserven durch Wegzug der Körperschaft erfolgt auch dann, wenn durch die Sitzverlegung und/oder Verlegung des Ortes der Geschäftsleitung sich der abkommensrechtliche Ansässigkeitsstaat ändert. Zwar ist die Körperschaft dann nach rein nationalem Steuerrecht weiterhin in Deutschland unbeschränkt stpfl., wenn der statuarische Sitz im Inland verbleibt, Im DBA ist aber regelmäßig vereinbart, dass die abkommensrechtliche Ansässigkeit im Staat des Ortes der tatsächlichen Geschäftsleitung liegt. Damit wird das deutsche Besteuerungsrecht eingeschränkt, weil nach den abkommensrechtlichen Regelungen nur noch die inl. Einkünfte in Deutschland besteuert werden können. Der Verlust bzw. die Einschränkung des unbeschränkten Besteuerungsrechts führt dazu, dass die stillen Reserven der Wirtschaftsgüter, bei denen die Veräußerungsgewinne nicht in Deutschland zu versteuern sind, bei Wegzug besteuert werden.

[1] EuGH v. 29.11.2011, C-371/10 (Nation Grid Indus), BFH/NV 2012, 364, IStR 2012, 27.

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