Eine Selbstanzeige ist ausgeschlossen, wenn die Tat entdeckt ist und der Steuerpflichtige dies wusste oder hätte erkennen können. Im Einzelfall kann es durchaus zweifelhaft sein, ob eine Steuerstraftat tatsächlich schon entdeckt ist oder die Behörde lediglich Vermutungen anstellt. Die Einzelheiten sind umstritten. Jedenfalls muss die Behörde nachweisen, dass

  • sie im Zeitpunkt der Abgabe der Selbstanzeige bereits Kenntnis von der Tat hatte (sog. objektives Element) und dass
  • der Täter dies wusste oder damit hätten rechnen müssen (sog. subjektives Element).

     
    Praxis-Beispiel

    Zollkontrolle

    Entdecken Zollbeamte im Rahmen eine grenznahen Kontrolle Unterlagen (z. B. Bankunterlagen), die den Verdacht einer Steuerstraftat nahe legen, so kann dies nach den konkreten Umständen des Einzelfalles ggf. den Sperrgrund der Tatentdeckung nach § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO verwirklichen.[1]

 
Praxis-Beispiel

Steuerdaten-CD

Mandant U will eine Selbstanzeige wegen ausländischen Kapitaleinkünften abgeben. Er ist Kunde einer Schweizer Bank, von der bekannt ist, dass die deutschen Ermittlungsbehörden eine sog. Steuerdaten-CD besitzen.

Lösung: Selbst wenn sich der Name des U und hinreichende Bankinformationen auf der Steuer-CD befinden, so muss nach zutreffender Ansicht zunächst ein Abgleich mit den Steuerakten des U erfolgen, damit das objektive Element erfüllt ist (diese Einschränkung wird von manchen Ermittlungsbehörden jedoch nicht in jedem Fall so gesehen). Das subjektive Element kann m. E. nicht allein damit begründet werden, dass U Kunde der Bank ist. Denn wenn eine Bank z. B. 100.000 deutsche Kunden hat, so repräsentiert eine Steuer-CD mit 1000 Namen nur einen Anteil von 1 %. Derartige Wahrscheinlichkeitsüberlegungen führen zur Rechtsunsicherheit und können daher m. E. das subjektive Element nicht erfüllen.

Allerdings sollte nicht übersehen werden, dass der BGH die Anforderungen an das subjektive Element deutlich reduziert hat.[2] Ob der BGH bei dieser Linie bleibt, ist abzuwarten. Jedenfalls bei Kapitalanlagen, die bereits nach ihrem Charakter allein der Steuerhinterziehung dienen können, dürfte die Schwelle der Tatentdeckung sehr niedrig sein. Vor Abgabe einer Selbstanzeige sind hierzu i. d. R. keine abgesicherten Einschätzungen möglich, so dass der Mandant über die Rechtsunsicherheit informiert werden sollte. Das OLG Hamm hat entschieden, dass der Steuerhinterzieher nicht sicher auf die erfolgte Tatentdeckung schließen können muss, also eine gewisse Rechtsunsicherheit in der Beurteilung durchaus verbleiben kann.[3]

 
Praxis-Beispiel

Auslösen einer Sperre durch Kontrollmitteilung

Mandant U gibt eine Selbstanzeige wegen erzielten Honoraren (Einkünfte gem. § 18 EStG) ab. Ihm ist nicht nachzuweisen, dass er in diesem Zeitpunkt wusste, dass eine Betriebsprüfung bei seinem Auftragnehmer stattfand, welche bereits eine Kontrollmittelung (KM) an das Finanzamt des U versandt hatte. Der Veranlagungssachbearbeiter hatte daraufhin – vor Abgabe der Selbstanzeige – die Unvollständigkeit der Steuererklärung des U festgestellt.

Lösung: In der Praxis wird teilweise angenommen, dass bereits das Vorliegen einer KM eine Sperre auslöst.[4] Im vorgenannten Beispiel musste U jedenfalls von der Entdeckung nichts wissen (dies war ihm jedenfalls nicht nachweisbar).

[1] LG Stuttgart, Urteil v. 25.11.2019, 6 KLs 144 Js 105277/11, NZWiSt 2021 S. 355.
[3] OLG Hamm, Beschluss v. 7.10.2015, 5 RVs 119/15, NZWiSt 2016 S. 151.
[4] In diese Richtung könnte auch das BFH-Urteil v. 26.11.2008, X R 20/07, BStBl 2009 II S. 388, zur Auslegung der ähnlichen Vorschrift des § 7 Satz 1 Nr. 1 b StraBEG weisen; dies ist m.  E. aber unzutreffend.

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