Rz. 95

Die Inanspruchnahme einer Dienstleistung durch eine Gesellschaft, die steuerbare Umsätze ausführen wollte, stellt bereits eine wirtschaftliche Tätigkeit dar, selbst wenn die Dienstleistung der Prüfung dient, ob die beabsichtigte Tätigkeit rentabel ist. Außer in Betrugsfällen kann die Eigenschaft der Gesellschaft als Steuerpflichtiger nicht rückwirkend aberkannt werden, auch wenn sie zu keinem Zeitpunkt einen steuerbaren Ausgangsumsatz ausgeführt hat.[1]

 

Rz. 96

Diese Entscheidung, dass es auch einen Unternehmer ohne Ausgangsumsätze geben kann, ist eine Fortentwicklung der EuGH-Rechtsprechung, dass sog. Vorbereitungshandlungen in der Gründungsphase eines Unternehmens bereits der wirtschaftlichen Tätigkeit zugeordnet werden können, wenn es letztlich nicht bei der Absicht bleibt, Leistungen zu erbringen, sondern zu einem späteren Zeitpunkt tatsächlich Umsätze bewirkt werden.[2] Die dem Urteil v. 14.2.1985 zugrunde liegende Frage war, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit erst ab dem Zeitpunkt beginnt, von dem ab regelmäßig Einnahmen erzielt werden, oder schon früher, nämlich mit Investitionshandlungen, die der späteren Tätigkeit dienen, die auf Einnahmeerzielung gerichtet ist. Der EuGH hatte hier noch den tatsächlichen Zusammenhang zwischen Investitionsausgaben und späteren Ausgangsumsätzen gefordert, was er in der Entscheidung v. 29.2.1996 nicht mehr verlangt.[3]

 

Rz. 97

Die EuGH-Urteile v. 29.2.1996 und 14.2.1985 bilden den Rahmen der EuGH-Rechtsprechung, die für Art. 9 MwStSystRL einen sehr weiten Anwendungsbereich festlegt.[4] Bei einzelnen Fehlinvestitionen, d. h. einer bei bestehender Unternehmereigenschaft beabsichtigten Tätigkeit, die nicht zu Ausgangsumsätzen führt, bleibt das Vorsteuerabzugsrecht erhalten.[5] Als Unternehmer hat bereits zu gelten, wer die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hat, eine wirtschaftliche Tätigkeit selbstständig auszuüben, und Investitionen für diese Zwecke tätigt. Die Aufnahme des tatsächlichen Betriebs des Unternehmens muss nicht abgewartet werden. Dies gilt uneingeschränkt auch dann, wenn die Finanzbehörde bei der erstmaligen Befassung mit dem Fall bereits weiß, dass keine Ausgangsumsätze bewirkt werden. Das Vorsteuerabzugsrecht in der Gründungsphase eines Unternehmens hängt nicht von einer förmlichen Anerkennung durch die Finanzbehörde ab.[6]

 

Rz. 98

Die Eingriffe einer Holdinggesellschaft in die Verwaltung ihrer Tochtergesellschaften stellen nur dann eine wirtschaftliche Tätigkeit dar, wenn sie die Ausübung von Tätigkeiten einschließen, die gemäß Art. 2 MwStSystRL steuerbar sind. Bei dem Eingreifen in die Verwaltung der Tochtergesellschaften muss es sich also um steuerbare Lieferungen bzw. Dienstleistungen (gegen Entgelt) handeln. Den Tochtergesellschaften gegenüber müssen verbrauchsfähige Leistungen erbracht werden.[7]

Der EuGH folgert aus den Grundsätzen

  • eine Gesellschaft, deren einziger Zweck der Erwerb von Beteiligungen an anderen Unternehmen ist, ohne dass sie unmittelbar oder mittelbar in die Verwaltung dieser Gesellschaften eingreift, ist kein Unternehmer
  • nur Zahlungen, die die Gegenleistung für einen Umsatz oder eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen, fallen in den Anwendungsbereich der MwSt und dies gilt nicht für Zahlungen, die auf dem bloßen Eigentum an einem Gegenstand beruhen, wie dies bei Dividenden oder anderen Erträgen von Aktien der Fall ist,
  • etwas anderes gilt jedoch, wenn die finanzielle Beteiligung an einem anderen Unternehmen unbeschadet der Rechte, die dem Anteilseigner in seiner Eigenschaft als Aktionär oder Gesellschafter zustehen, mit unmittelbaren oder mittelbaren Eingriffen in die Verwaltung der Gesellschaft einhergeht, an der die Beteiligung begründet worden ist, soweit ein solcher Eingriff steuerbare Umsätze einschließt wie Verwaltungs-, Buchhaltungs- und IT- Dienstleistungen,
  • auf Aktien oder Anteile an einer Gesellschaft bezogene Umsätze fallen in den Anwendungsbereich der MwSt, wenn sie im Rahmen des gewerbsmäßigen Wertpapierhandels oder zum Zweck des unmittelbaren oder mittelbaren Eingreifens in die Verwaltung der Gesellschaften erfolgen, an denen die Beteiligung begründet wurde, oder wenn sie eine unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung einer steuerbaren Tätigkeit darstellen,
  • eine Veräußerung, die zur Umstrukturierung eines Konzerns durch eine Muttergesellschaft erfolgt, kann ggf. als ein Vorgang betrachtet werden, der darin besteht, nachhaltig Einnahmen aus Tätigkeiten, die über den bloßen Verkauf von Aktien hinausgehen, zu erzielen,

dass eine Aktienveräußerung grundsätzlich nur dann in den Anwendungsbereich der MwSt fällt (d. h. steuerbar ist), wenn sie ihren ausschließlichen unmittelbaren Entstehungsgrund in der steuerbaren wirtschaftlichen Tätigkeit der Muttergesellschaft hat oder eine unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung dieser Tätigkeit darstellt. Dies ist dann der Fall, wenn die Veräußerung erfolgt, um den daraus erzielten Erlös direkt für die steuerbare wirtschaftliche Tätigkeit der Muttergesellsc...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge