Rz. 133

Die vom Gesetzgeber von Anfang an in § 9 UStG vorgesehene Möglichkeit, gem. § 4 Nr. 12 UStG steuerfreie Vermietungsleistungen und ähnliche Umsätze als steuerpflichtig zu behandeln, hat wohl die größte praktische Bedeutung bei der Anwendung des § 9 UStG. Ob sich wirtschaftlich die Behandlung von gem. § 4 Nr. 12 UStG steuerfreien Umsätzen als steuerpflichtig lohnt, muss im Einzelfall vom Unternehmer sorgfältig berechnet werden. Allgemeine Empfehlungen kann man nicht geben. Die Entscheidung hängt hier vor allem davon ab, ob die Überwälzung der Steuer auf den Leistungsempfänger gesichert ist.

 

Rz. 133a

Wichtig ist, dass der Verzicht auch für die Vermietung von Teilflächen möglich ist, wenn diese Teilflächen eindeutig bestimmbar sind. Der BFH[1] verlangt dazu, dass ein objektiv nachprüfbarer Aufteilungsmaßstab zugrunde gelegt wird. Dabei kann auch eine Abgrenzung nach baulichen Merkmalen, also z. B. nach Räumen, vorgenommen werden.

 

Rz. 133b

Wegen der Zehnjahres-Frist des § 15a Abs. 1 UStG für die Berichtigung des Vorsteuerabzugs bei Grundstücken müssen zur Vorteilhaftigkeit des Verzichts nach § 9 UStG längerfristige Betrachtungen angestellt werden. Allerdings statuiert § 15a UStG nicht etwa, wie gelegentlich insbesondere in der "Steuervermeidungsempfehlungs-Literatur" zu lesen ist, eine Bindung an die Anwendung des § 9 UStG für die Dauer des Vorsteuerabzugsberichtigungszeitraums gem. § 15a UStG, vielmehr treten die als nachteilig empfundenen Berichtigungstatbestände innerhalb des Berichtigungszeitraums zwangsläufig ein, wenn sich die Verwendungsverhältnisse bei dem Grundstück hinsichtlich der Steuerfreiheit oder Steuerpflicht verändern.

 

Rz. 133c

Nicht ohne Interesse dürfte dabei aber auch sein, dass schon durch die sog. Zweite Vereinfachungs-Richtlinie v. 10.4.1995[2] den Mitgliedstaaten der EU die Möglichkeit eingeräumt wurde, den Berichtigungszeitraum bei Grundstücken auf bis zu 20 Jahre auszudehnen.[3] So ist es auch jetzt weiterhin in Art. 187 MwStSystRL geregelt. Deutschland hat aber von Anfang an bei § 15a UStG immer nur einen Berichtigungszeitraum von zehn Jahren vorgeschrieben und es gab bisher auch noch keine gesetzgeberischen Aktivitäten, dies zu ändern.

 

Rz. 134

Weil der einzelne Umsatz unter § 9 UStG fällt (Rz. 60ff.), ist bei den von § 4 Nr. 12 UStG erfassten Dauerleistungen von Teilleistungen für den jeweiligen Zeitraum auszugehen, für welchen das Entgelt vereinbart wird, z. B. also Tag, Monat, Vierteljahr, Jahr. Für diese selbstständigen Teilleistungen kann § 9 UStG jeweils angewandt werden (Rz. 61).

 

Rz. 135

Zu der Sachverhaltsgestaltung, dass bei einem längerfristigen Mietvertrag zunächst eine mietzinsfreie Zeit vereinbart wird, vertritt die OFD Saarbrücken in ihrer Verfügung v. 1.8.1986[4] die zutreffende Auffassung, dass für die mietzinsfreie Zeit mangels Entgelt die Anwendung des § 9 UStG ausgeschlossen ist. Damit greift beim Vermieter das Vorsteuerabzugsverbot des § 15 Abs. 2 Nr. 3 UStG ein. Erst mit der Zahlung der Miete kann § 9 UStG Wirkung erlangen, ggf. mit der Folge der Anwendbarkeit des § 15a UStG bezüglich des vermieteten Grundstücks.

 

Rz. 136

Wenn die Vermietung an einen Mieter erfolgt, der zu dem in § 10 Abs. 5 UStG genannten Personenkreis gehört, führt die Anwendung des § 9 UStG bei der sog. Mindestbemessungsgrundlage des § 10 Abs. 5 i. V. m. § 10 Abs. 4 UStG dazu, dass über die Mindestbemessungsgrundlagen gem. § 14 Abs. 4 S. 2 UStG eine Rechnung mit offenem Steuerausweis auf die Mindestbemessungsgrundlage erteilt werden kann, sodass beim Mieter keine nichtabzugsfähige Vorsteuer "hängen bleibt".

 

Rz. 137

In einem Fall, in dem ein Mieter gegen eine Abstandszahlung durch den Vermieter darauf verzichtete, den Mietvertrag bis zum Ende durchzuführen, hat der EuGH in seinem Urteil v. 15.12.1993[5] entschieden, dass dieses Entgelt für die Verzichtsleistung des Mieters unter die Steuerbefreiung für Vermietungsumsätze gem. Art. 13 Teil B Buchst. b der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL) fällt. Damit ist auch, falls die sonstigen Voraussetzungen beim Mieter vorliegen, ein Verzicht auf die Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 12 UStG nach § 9 UStG für dieses Entgelt zulässig. Die Begründung des EuGH für sein Verständnis ist schwer nachzuvollziehen; sie ist am ehesten verständlich, wenn man sich vorstellt, dass der Mieter das Grundstück für die nicht ausgenutzte Mietzeit gleichsam an den Vermieter zurückvermietet, sodass das Entgelt dann einer Miete des Vermieters an den Mieter gleichsteht.

[1] BFH v. 23.10.2019, V R 46/17, BFH/NV 2020, 302, MwStR 2020, 265 m. Anm. Schumann.
[2] ABl. EG Nr. L 102, 18.
[3] Langer, DB 1995, 995; Huschens, UR 1995, 241.
[4] OFD Saarbrücken v. 1.8.1986, S 7304 – 5 – St 241, UR 1986, 305.
[5] EuGH v. 15.12.1993, C-63/92, Lubbock Fine, Haufe-Index 60577, BStBl II 1995, 490.

3.3.1 Zwischenvermietung

 

Rz. 138

Die zur Vermeidung einer Vorsteuerberichtigung gem. § 15a UStG notwendige Dauer der Anwendung des § 9 UStG auf die gem. § 4 Nr. 12 UStG steuerfreien Vermietungsumsätze von 10 Jahren...

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