Rz. 5

Unter Übernahme von Verbindlichkeiten ist die Schuldbefreiung durch Schuldübernahme[1] und die Schuldmitübernahme oder der Schuldbeitritt neben einem Schuldner bei bereits bestehenden Verpflichtungen und nicht das Eingehen einer neuen Verpflichtung zu verstehen. Das abstrakte Rechtsgeschäft der Schuldübernahme stellt eine Leistung dar, die darin besteht, dass der Übernehmer der Schuld sein Vermögen mit dem übernommenen Passivposten belastet und dem Erstschuldner durch Befreiung von der Schuld (Leistungsverpflichtung) einen Vermögenswert zuwendet.[2] Beim Schuldbeitritt und bei der Schuldmitübernahme verpflichtet sich der Schuldübernehmer gegenüber dem Gläubiger, neben dem Erstschuldner für dessen Schuld einzustehen. Schuldner und Schuldbeitretender bzw. Schuldübernehmer werden Gesamtschuldner, sodass der Gläubiger die Leistung von jedem der Schuldner verlangen kann.

 

Rz. 6

Es darf sich nicht lediglich um ein Garantiegeschäft mit dem bürgerlich-rechtlich selbstständigen Versprechen des Garantiegebers handeln, einem anderen dafür einzustehen, dass ein bestimmter tatsächlicher oder rechtlicher Erfolg eintritt oder dass sich die Gefahr eines künftigen Schadens nicht verwirklicht.[3] In diesen Fällen kann die Steuerbefreiung für die Übernahme einer Bürgschaft oder anderen Sicherheit in Betracht kommen. Die Übernahme von Verbindlichkeiten kommt vor in der Form der Übernahme von Kreditschulden, Schulden aus einem Liefer- oder Dienstleistungsgeschäft, Renten- und Pensionsverpflichtungen (z. B. bei der Übernahme eines Unternehmens für die Arbeitnehmer), Übernahme von Verpflichtungen aus Versicherungsverträgen und von Einlagen bei Kreditinstituten – z. B. bei Fusionen –.[4]

 

Rz. 7

Eine solche Leistung ist nur steuerfrei, wenn es sich um einen steuerbaren, also insbesondere entgeltlichen Umsatz und nicht lediglich um eine Entgeltzahlung handelt. Es muss sich also nicht nur um eine Leistung im Rechtssinne, sondern auch im wirtschaftlichen Sinne handeln. Derjenige, der Verbindlichkeiten übernimmt, muss ein über die reine Entgeltentrichtung hinausgehendes eigenes wirtschaftliches Interesse verfolgen.[5] Die bloße Entgeltentrichtung, insbesondere die Geldzahlung oder Überweisung, ist keine Leistung im wirtschaftlichen Sinne. Zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen bei der Schuldübernahme eine Leistung im wirtschaftlichen Sinne anzunehmen ist, siehe die weitere BFH-Rechtsprechung.[6] Der Ausnahmefall, dass eine Schuldübernahme nicht nur Entgeltcharakter, sondern auch wirtschaftlich Leistungscharakter hat, liegt dann vor, wenn der Zweitschuldner durch die Schuldübernahme nicht bloß eine Zahlungsverpflichtung erfüllen will, sondern in erster Linie ein eigenes wirtschaftliches Ziel ver folgt. Davon kann ausgegangen werden, wenn anlässlich des Eintritts neuer Arbeitskräfte in das Unternehmen gleichzeitig Renten- bzw. Pensionsverpflichtungen übernommen werden und durch die Übernahme dieser Verpflichtungen das Unternehmen die übernommenen Arbeitskräfte eng mit sich verbinden will. Gemessen daran ist die Übernahme von Schulden (Pensionsverpflichtungen) im Rahmen der Veräußerung eines Geschäfts im Ganzen keine Leistung i. S. d. Umsatzsteuerrechts.[7] Die Übernahme einer Baulast gegen ein Darlehen zu marktunüblich niedrigen Zinsen kann dagegen einen steuerbaren Umsatz darstellen.[8] Die Übernahme von Renovierungsverpflichtungen im Rahmen von Grundstücksverträgen stellt zwar eine Schuldübernahme gem. § 415 BGB dar, ist aber kein nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG steuerfreier Umsatz. In richtlinienkonformer Auslegung und nach der EuGH-Rechtsprechung[9], wonach unter den Begriff der "Übernahme von Verbindlichkeiten" gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL nur Geldverbindlichkeiten und nicht auch andere – geldwerte – Verbindlichkeiten wie z. B. Dienstleistungsverpflichtungen fallen, beschränkt sich § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG auf die Übernahme von Schulden/Verpflichtungen in Geld.[10]

Das erstmalige Eingehen einer Darlehensverbindlichkeit fällt in den Anwendungsbereich der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG. Die Annahme eines Nachrangdarlehens durch eine GmbH als Darlehensnehmerin, die zur Finanzierung ihrer Tätigkeit Geld von privaten Kapitalanlegern einsammelt, ist eine nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG steuerfreie Leistung, wenn die GmbH mit Abschluss des jeweiligen Darlehensvertrags eine Verbindlichkeit übernommen und der jeweilige Kapitalanleger ein Entgelt in Form eines Agios aufgewendet hat, um die GmbH zum Abschluss des Darlehensvertrages zu veranlassen.[11]

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