1 Allgemeines

1.1 Vorbemerkung, Zweck und Bedeutung der Vorschrift

 

Rz. 1

Zweck der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 15 UStG ist die Entlastung der dort genannten Sozialversicherungs- und Fürsorgeträger. Die Vorschrift ist wie andere Steuerbefreiungsvorschriften mit sozialpolitischem Hintergrund dafür bestimmt, die Umsatzsteuerbelastungen im Gesundheitsbereich zu vermindern. Die Steuerbefreiung erstreckt sich auf die Umsätze der Versicherungs- und Fürsorgeträger untereinander sowie deren Umsätze an die Versicherten, Sozialhilfeempfänger und Versorgungsberechtigten. Zu beachten ist, dass die Steuerbefreiung nur insoweit von Bedeutung ist, als die gesetzlichen Träger der Sozialversicherung usw. die Umsätze im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art bzw. im Rahmen ihres Unternehmens[1] bewirken. Die Steuerbefreiung umfasst zwar freiwillige Zusatzleistungen, nicht jedoch Leistungen an andere/fremde Personen, die in der Vorschrift nicht genannt sind. Voraussetzung der Steuerbefreiung ist, dass es sich um aus dem Mitgliedschaftsverhältnis herrührende Leistungen handelt. Bei den Leistungen an die Versicherten – Umsätze an andere Personen sind nicht befreit – kommt es zwar nicht darauf an, ob die Leistung aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung bewirkt wird. Steuerfrei sind im Lichte des Unionsrechts jedoch nur Dienstleistungen der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit oder damit eng verbundene Leistungen.

 

Rz. 2

Die Vorschrift geht auf § 4 Nr. 11 UStG 1951 i. V. m. § 39 UStDB 1951 zurück. Danach waren auch alle Leistungen an die begünstigten Einrichtungen befreit. Im Gegensatz zu § 4 Nr. 11 UStG 1951 sind Umsätze an die Versicherungs- und Fürsorgeträger nach § 4 Nr. 15 UStG nicht (mehr) von der USt befreit, soweit es sich um Leistungen anderer Unternehmer als der Versicherungs- und Fürsorgeträger selbst handelt.

 

Rz. 3

Ausdrücklich ausgenommen von der Steuerbefreiung war bis 17.12.2019 die Abgabe von Brillen und Brillenteilen einschließlich der Reparaturarbeiten durch Selbstabgabestellen der gesetzlichen Träger der Sozialversicherung.[2] Durch die Steuerpflicht der Umsätze der Selbstabgabestellen war sichergestellt, dass unabhängig davon, ob die Stellen einen Betrieb gewerblicher Art i. S. v. § 2 Abs. 3 UStG führen, ihre Sachleistungen mit Brillen und Brillenteilen ebenso wie die Angehörigen des Optikerhandwerks der USt zu unterwerfen haben. Die letzte Selbstabgabestelle für Brillen und Brillenteile wurde inzwischen geschlossen. Die Vorschrift ist daher gegenstandslos und wurde mWv 18.12.2019 gestrichen (vgl. Rz. 9a).

[1] § 2 Abs. 3 UStG (alt) i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 KStG; 2b UStG.

1.2 Rechtsentwicklung

 

Rz. 4

§ 4 Nr. 15 UStG geht zurück auf § 4 Nr. 11 UStG 1951 i. V. m. § 39 UStDB 1951. Danach waren neben den heute begünstigten Umsätzen auch die Leistungen an die gesetzlichen Träger der Sozialversicherung steuerbefreit, wenn damit deren Verpflichtung aus einem Versicherungsverhältnis oder einer auf Gesetz beruhenden Verpflichtung gegenüber einem Versorgungsberechtigten erfüllt wurde.

 

Rz. 5

§ 4 Nr. 15 UStG 1967 stellte im Gegensatz zu § 4 Nr. 11 UStG 1951 nur noch die Umsätze der Sozialversicherungs- und Fürsorgeträger selbst steuerfrei. Eine Befreiung der Umsätze anderer Unternehmer an diesen Einrichtungen sah das Gesetz wegen des Subventionscharakters einer solchen Maßnahme nicht mehr vor.[1] Ausgenommen von der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 15 UStG 1967 waren die Lieferungen von Brillen und Brillenteilen sowie von den in Nr. 46 der Anlage 1 des Gesetzes bezeichneten Gegenständen, also Körperersatzstücke, orthopädische Apparate und andere orthopädische Vorrichtungen für Menschen. Diese aus Gründen des Wettbewerbs eingeführte Ausnahme von der Steuerbefreiung[2] wurde im UStG 1973 unverändert fortgeführt. Sie hatte jedoch keine praktische Bedeutung, da die Lieferungen dieser Gegenstände durch die Selbstabgabestellen der Sozialversicherungsträger erfolgten. Diese Selbstabgabestellen wurden nicht als Unternehmer angesehen und von daher waren ihre Umsätze nicht steuerbar. Deshalb sollte nach der Begründung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines UStG v. 15.3.1978[3] der letzte Satz von § 4 Nr. 15 UStG als redaktionelle Maßnahme gestrichen werden.

 

Rz. 6

Stattdessen wurde jedoch im UStG 1980 § 4 Nr. 15 Buchst. b S. 2 UStG neu gefasst. Seitdem galt die Steuerbefreiung nicht für die Abgabe von Brillen und Brillenteilen einschließlich der Reparaturarbeiten durch Selbstabgabestellen der gesetzlichen Träger der Sozialversicherung. Diese neu gefasste Ausnahme von der Steuerbefreiung ging mit der Neuregelung in § 2 Abs. 3 Nr. 3 UStG einher, wonach die Abgabe von Brillen und Brillenteilen einschließlich der Reparaturarbeiten durch Selbstabgabestellen der gesetzlichen Träger der Sozialversicherung als unternehmerische und damit steuerbare Tätigkeiten galten.[4]

 

Rz. 7

Durch Gesetz v. 24.12.2003[5] war mWv 1.1.2005 die Bundesagentur für Arbeit als Trägerin der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach SGB II in die Aufzählung der Einrichtungen aufgenommen worden, deren Umsät...

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