4.3.2.1 Vorbemerkung

 

Rz. 106

Die Unternehmereigenschaft des Leistungsempfängers und dessen Absicht zur unternehmerischen Verwendung der bezogenen sonstigen Leistung stellen die zwei wesentlichen Tatbestandsmerkmale für eine Festlegung des Leistungsorts nach § 3a Abs. 2 UStG und des Eintritts der Umkehr der Steuerschuldnerschaft nach § 13b Abs. 5 Nr. 1 UStG dar[1]; sie haben auch Einfluss darauf, wie eine konkrete Leistung abzurechnen ist. Wenn diese Merkmale vorliegen, muss der leistende Unternehmer von § 3a Abs. 2 UStG Gebrauch machen, sofern keine andere (zwingende) Leistungsortsbestimmung eingreift (z. B. nach § 3a Abs. 3 UStG). Der Leistende hat hier insbesondere kein Wahlrecht, den Leistungsort etwa abweichend nach § 3a Abs. 1 UStG zu bestimmen. Eine andere Leistungsortsbestimmung muss er nur dann vornehmen, wenn es an einem der genannten Tatbestandsmerkmale fehlt, was z. B. der Fall sein dürfte, wenn ihm der Leistungsempfänger seine USt-IdNr. nicht nennt (Rz. 112). Bei unrichtigen Angaben des Leistungsempfängers oder eventuellen Unsicherheiten stellt sich dann die wichtige Frage, ob und inwieweit der Leistende auf die Angaben seines Leistungsempfängers vertrauen kann (Rz. 115f. und Rz. 125).

 

Rz. 107

Es handelt sich beim Vorliegen dieser Tatbestandsmerkmale also nicht nur um formale Fragen; hier liegen vielmehr konstitutive Merkmale der Steuerbarkeit einer sonstigen Leistung vor. Demnach ist es für den leistenden Unternehmer immer mit einem gewissen Risiko verbunden, ob der Leistungsort nach § 3a Abs. 2 UStG oder z. B. nach § 3a Abs. 1 UStG zu bestimmen ist. Sollte sich erst im Nachhinein – also nach Ausführung der sonstigen Leistung, etwa nach Durchführung einer USt-Sonderprüfung – herausstellen, dass ein Leistungsort abweichend zu bestimmen war (mit der Folge eines anderen Leistungsorts), dann wird der leistende Unternehmer u. U. später mit USt belastet. Diese Steuer muss er sich nun "mühsam" – evtl. auch gar nicht[2] – von seinem Leistungsempfänger bezahlen lassen. Anders ausgedrückt trägt der leistende Unternehmer das Risiko, dass eine Leistung später als im Inland steuerbar erachtet wird. Die entscheidende Frage ist demnach, was der Unternehmer tun muss, um diese Folge zu vermeiden oder jedenfalls das Risiko ihres Eintritts so gering wie möglich zu halten.

[1] Vgl. auch Prätzler/Stuber, BB 2013, 475.
[2] U.U. existiert z. B. die juristische Person nicht mehr, an der die Leistung ausgeführt wurde.

4.3.2.2 Unternehmereigenschaft des Leistungsempfängers und Vertrauensschutz

 

Rz. 108

Aus Sicht des leistenden Unternehmers ist vor allem die Feststellung der Qualifikation seines Leistungsempfängers als Unternehmer oder als "Nichtunternehmer" zur zentralen umsatzsteuerrechtlichen Fragestellung bei grenzüberschreitenden sonstigen Leistungen geworden[1]; dieser Status des Leistungsempfängers muss übrigens bei jeder (!) einzelnen ausgeführten Leistung feststehen.[2] Zudem ist es bei jeder Leistung an einen anderen Unternehmer erforderlich, dass dieser die Leistung auch für sein Unternehmen bezieht, was für den Leistenden mitunter nur schwer zu überprüfen ist.[3] Aus diesem Grund wurde die Feststellung der Unternehmereigenschaft des Leistungsempfängers mit durchaus guten Gründen in der Literatur schon bei Einführung des neuen § 3a UStG als Schwachpunkt der Regelung erachtet.[4] In Anbetracht der Bedeutung dieses Tatbestandsmerkmals verwundert es in der Tat etwas, dass das deutsche UStG keine Regelung vorsieht, wie denn der Leistende die Unternehmereigenschaft seines Abnehmers nachweisen soll; die Unternehmereigenschaft wird schlicht vorausgesetzt. M. E. wird diese Problematik allerdings dadurch etwas "entschärft", dass die im UStAE dargelegte (deutsche) Verwaltungsauffassung – welche zum 1.7.2011 modifiziert wurde[5] – in dieser Hinsicht eine eher "moderate" Regelung zugunsten der leistenden Unternehmer vorsieht, jedenfalls solange bestimmte formale Anforderungen von ihnen beachtet werden.[6] Weitere Rechtssicherheit besteht hier seit dem 1.7.2011 mit der unionsrechtlichen Durchführungsverordnung zur MwStSystRL, der MwStVO.[7] Hinzuweisen ist darauf, dass diese EU-Verordnung in allen Mitgliedstaaten - ohne weitere Umsetzung in innerstaatliches Recht - für den Bereich der Umsatzsteuer unmittelbar geltendes Recht darstellt.[8] Sie enthält jedenfalls in Art. 17ff. MwStVO klare und für die Verwaltung und die Gerichte[9] bindende Vorgaben zum Status des Dienstleistungsempfängers und vor allem auch zum Vertrauensschutz, was wohl auch der Anlass für die genannten Änderungen des UStAE war.

 

Rz. 108a

Für die Beurteilung der Unternehmereigenschaft des Abnehmers der sonstigen Leistung sowie auch für die Beurteilung des Bezugs für dessen Unternehmer ist gemäß Art. 25 MwStVO jeweils der Zeitpunkt der Ausführung der betreffenden sonstigen Leistung maßgeblich.[10] Spätere Änderungen dieser Umstände können sich somit nicht mehr auf die Festlegung des Leistungsorts auswirken.

 

Rz. 108b

Hinzuweisen ist darauf, dass die zu erfüllenden Anforderungen zunächst davon abhängig sind, ob der Leistungsempfänger in einen anderen Mitgliedstaa...

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