3.1.1 Allgemeines

 

Rz. 7a

Das UStG enthält keine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung des Begriffs der sonstigen Leistung. Aus dem Wortlaut des § 3 Abs. 9 UStG ergibt sich, dass als Oberbegriff zu den Tatbeständen Lieferung und sonstige Leistung der Begriff Leistung zu betrachten ist. Eine sonstige Leistung kann danach nur vorliegen, wenn eine Lieferung nicht gegeben ist. Ausdrücklich wird gesetzlich hervorgehoben, dass die sonstige Leistung auch in einem negativen Verhalten bestehen kann, z. B. in einem Unterlassen oder Dulden eines Zustands oder einer Handlung.

 

Rz. 8

Ob eine Lieferung oder eine sonstige Leistung vorliegt, bestimmt sich nicht nach den vertraglichen Bestimmungen des Zivilrechts und ihrer gesetzlichen Regelungen. Sowohl wegen der wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Umsatzsteuerrecht als auch vor dem Hintergrund von Sonderregelungen (z. B. wird die zivilrechtlich als Besorgungsleistung definierte Tätigkeit des Kommissionärs bei einem Kommissionsgeschäft umsatzsteuerrechtlich in eine Lieferung umdefiniert) ist hierbei jedoch Vorsicht geboten. Grund für die Entstehung einer Umsatzsteuer ist nicht der Abschluss von Verträgen, sondern allein das tatsächliche Bewirken von Leistungen, die mit der Absicht auf Erzielung einer Gegenleistung ausgeführt werden. Auf die zivilrechtliche Zulässigkeit einer ausgeführten Tätigkeit kommt es ebenfalls nicht an.[1]

 

Rz. 9

Der Begriff der sonstigen Leistung ist weit auszulegen, jede wirtschaftliche Leistung ist eine sonstige Leistung, es sei denn, es liegt eine Lieferung vor. Nur durch diese weite Begriffsauslegung wird der Zweck der USt erfüllt, ohne gesetzliche Lücken wirtschaftliches Handeln der USt zu unterwerfen. Die USt beschränkt sich deshalb nicht auf bestimmte Berufszweige wie des Kaufmanns i. S. d. Handelsgesetzbuchs oder des Gewerbetreibenden i. S. d. Gewerbeordnung. Der Anwendungsbereich ist umfassender als im Ertragsteuerrecht. Auch eine Privatperson i. S. d. EStG oder des GewStG kann sonstige Leistungen ausführen und somit der USt unterliegen, wenn sie nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen tätig wird.[2]  Dies wird besonders deutlich am Beispiel des Vermieters, der nach den Bestimmungen des Einkommen- und Gewerbesteuerrechts nicht als Gewerbetreibender anzusehen ist, umsatzsteuerlich aber als Unternehmer i. S. d. § 2 Abs. 1 UStG beurteilt wird und somit im Rahmen von sonstigen Leistungen zumindest steuerbare Umsätze bewirken kann.

[1] Vgl. zur damals als "gewerbliche Unzucht" einzuordnenden Tätigkeit einer Prostituierten BFH v. 4.6.1987, V R 9/79, BStBl II 1987, 653.
[2] BFH v. 3.6.1954, V 262/53 U, BStBl III 1954, 238.

3.1.2 Vorbereitung sonstiger Leistungen

 

Rz. 10

Bloße Vorbereitungshandlungen stellen grundsätzlich noch keine Leistungen im umsatzsteuerrechtlichen Sinne dar, es sei denn, es läge ein entgeltlicher Leistungsaustausch vor[1]. Die Tätigkeit des Unternehmers ist nur steuerbar, wenn sie den internen Bereich des Unternehmens verlassen hat, d. h., sie muss einem anderen (dem Leistungsempfänger) gegenüber bewirkt worden sein. Die Steuerbarkeit einer sonstigen Leistung entfällt auch dann nicht, wenn ein erwartbares Entgelt nicht gezahlt wird.

 

Rz. 11

Häufig wird einem Unternehmer, der eine Leistung vorbereitet, diese aus vom Auftraggeber zu vertretenden Gründen dann aber nicht erbracht hat, eine Entschädigung gezahlt. In diesen Fällen muss abgegrenzt werden, ob es sich bei einer Zahlung des den Vertrag kündigenden Auftraggebers um einen echten (nicht steuerbaren) Schadensersatz handelt oder ob es Entgelt für eine steuerbare Leistung darstellt. Soweit ein Beratungsvertrag einvernehmlich zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer aufgelöst wird, liegt kein Schadensersatz vor. Der von der Auflösung Begünstigte hat einen Vorteil erhalten (Nichterfüllung des Vertrags), für den er bereit ist, etwas aufzuwenden.[2] Die Voraussetzungen für einen entgeltlichen Leistungsaustausch liegen auch vor, wenn ein Vermieter bei vorzeitiger Auflösung eines langfristigen Mietvertrags im Interesse des Mieters auf seine ihm zustehende vertragliche Rechtsposition gegen Zahlung einer Abfindung verzichtet.[3] Auch nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des EuGH[4] führt bei vorzeitiger Beendigung eines Dienstleistungsvertrags die Zahlung eines vorher festgelegten Betrags, der dem Betrag entspricht, der sich bei Durchführung des Vertrags ergeben hätte, zu einem der USt unterliegenden Leistungsaustausch. Soweit dem Auftraggeber ein einseitiges Kündigungsrecht zusteht und er eine vertragliche oder gesetzliche Entschädigung zahlen muss ("Stornokosten"), kann ein nicht steuerbarer Schadensersatz vorliegen.[5]

[3] BFH v. 22.5.2019, XI R 20/17, BFH/NV 2019, 1256 sowie auch schon EuGH v. 15.12.1993, C-63/92, Lubbock Fine & Co., BStBl II 1995, 480.
[4] EuGH v. 22.11.2018, C-295/17, MEO Serviços de Comunicações e Multimédia, Haufe-Index 12411035, UR 2018, 944.
[5] EuGH v. 18.7.2007, C-277/05, Societé thermale d Eugéni...

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