Rz. 97a

Vor dem Hintergrund der Vertragsverletzungsklage C-57/20, Kommission/Deutschland, (Rz. 9) ist in § 24 Abs. 1 S. 1 UStG eine Vorjahres-Umsatzgrenze von 600.000 EUR eingeführt worden, die nach § 27 Abs. 32 UStG für Umsätze ab dem 1.1.2022 gilt (Rz. 26a). In Umsetzung des Art. 296 Abs. 2 MwStSystRL (Rz. 32ff.) ist dadurch der Anwendungsbereich der Durchschnittsatzbesteuerung beschränkt worden. Die nach der Norm vorgesehene Betrachtung des Vorjahres bedeutet, dass der Landwirt im laufenden Kalenderjahr 02 die Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG anwenden kann, wenn der Gesamtumsatz des vorangegangenen Jahres 01 nicht mehr als 600.000 EUR betragen hat. Hat dagegen der Gesamtumsatz des Jahres 01 mehr als 600.000 EUR betragen, kann der Landwirt im Jahr 02 die Durchschnittssatzbesteuerung nicht anwenden. Der Landwirt weiß also am Ende des Jahres 01, ob er im Jahr 02 den § 24 UStG anwenden kann. Je nach der Höhe des Gesamtumsatzes sind von Jahr zu Jahr Wechsel zwischen der Durchschnittssatzbesteuerung und der Regelbesteuerung möglich. Der gesetzlich vorgegebene Wechsel zur Regelbesteuerung ist ggf. keine Option nach § 24 Abs. 4 UStG (Rz. 288ff.) und löst also keine mehrjährige Bindung aus. Ansonsten gelten die Ausführungen in Rz. 295ff. zu den Folgen des Wechsels zur Regelbesteuerung (u. a. für den Vorsteuerabzug) aber entsprechend. Nach dem Überschreiten der Umsatzgrenze wird regelmäßig eine vierteljährliche USt-Voranmeldung abzugeben sein, da dafür nach § 18 Abs. 2 UStG auf die Steuer des Vorjahres abzustellen ist. Eine Befreiung von der Verpflichtung zur Abgabe nach Abschn. 18.2 Abs. 2 UStAE scheidet dann wegen der zu erwartenden wesentlich höheren Steuer aus.

Der Wortlaut der Regelung in § 24 Abs. 1 S. 1 UStG entspricht dem des § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG, so dass bezüglich der Berechnung des für die Umsatzgrenze maßgeblichen Umsatzes die Kommentierung in § 20 UStG Rz. 38ff. entsprechend gilt. Die Grenze bezieht sich also auf den Vorjahresumsatz des gesamten Unternehmens und nicht nur des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs. Da der Gesamtumsatz nach § 19 Abs. 3 UStG zugrunde gelegt wird, handelt es sich bei den 600.000 EUR um den Nettobetrag und müssen u. a. Anlagenverkäufe in den Gesamtumsatz mit einbezogen werden. Auch bei einem abweichenden Wirtschaftsjahr ist der Gesamtumsatz für den Besteuerungszeitraum nach § 16 Abs. 1 S. 2 UStG, also für das Kalenderjahr, zu berechnen. Außerdem ist bei der Berechnung des Gesamtumsatzes zu berücksichtigen, dass die Besteuerung nach § 24 UStG nach dem Prinzip der Sollversteuerung erfolgt (Rz. 296). Vgl. Rz. 279 zur Ermittlung der Höhe der Umsätze eines Pauschallandwirts. Sofern versucht werden sollte, die Umsatzgrenze z. B. durch Betriebsteilungen oder andere Umsatzverlagerungen zu unterschreiten, sind die allgemein für derartige Gestaltungen geltenden Grundsätze zu beachten (Rz. 245f.).

5.1.1 Aktiv bewirtschafteter Betrieb

 

Rz. 98

Die Anwendung der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG, d. h. die Anwendung der Durchschnittssätze nach § 24 Abs. 1 UStG, setzt grds. voraus, dass der land- und forstwirtschaftliche Betrieb i. S. d. § 24 Abs. 2 UStG noch aktiv bewirtschaftet wird.[1] Danach ist also grds. die Besteuerung nach den allgemeinen Regelungen des UStG vorzunehmen, wenn der bislang selbst bewirtschaftete land- und forstwirtschaftliche Betrieb bereits übergeben oder veräußert ist, wenn er nur noch verpachtet wird[2], oder wenn er bereits aufgegeben und die Erzeugertätigkeit eingestellt ist und der Betrieb sich nur noch im Stadium der Abwicklung befindet (Abschn. 24.1 Abs. 4 S. 1 und 2 UStAE). Dies gilt unabhängig davon, dass Unternehmen und Unternehmereigenschaft erst erlöschen, wenn der Unternehmer alle Rechtsbeziehungen abgewickelt hat, die mit dem nicht mehr bewirtschafteten Betrieb in Zusammenhang stehen.[3]

 

Rz. 99

Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass der Betrieb nach aktiv bewirtschaftet werden muss, gilt für die Lieferung von selbst erzeugten land- und forstwirtschaftlichen Erzeugnissen nach Einstellung der Erzeugertätigkeit (also nach Aufgabe, Veräußerung, Verpachtung usw.) des pauschalierenden land- und forstwirtschaftlichen Betriebs, also z. B. beim Verkauf von Ernterestbeständen bzw. dem Abverkauf der "letzten Ernte".[4] Der BFH begründet dies einerseits mit der Definition der Landwirtschaft i. S. d. § 24 UStG, die auch noch die Verwertung der durch die Bodennutzung gewonnenen Erzeugnisse umfasst, und andererseits mit dem Ziel der Pauschalregelung nach Art. 295ff. MwStSystRL, die Vorsteuerbelastung der landwirtschaftlichen Erzeuger im Zusammenhang mit der Lieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse und dem Erbringen landwirtschaftlicher Dienstleistungen pauschal auszugleichen, vgl. Rz. 41.

 

Rz. 100

Die Finanzverwaltung folgt der Auffassung des BFH (Abschn. 24.1 Abs. 4 S. 3ff. UStAE). Für vor dem 1.7.2010 ausgeführte Umsätze hat die Verwaltung hierzu eine Nichtbeanstandungsregelung erlassen.[5] Die in BMF v. 15.3.2010 getroffene Regelung für Hilfsumsätze im engen sachlichen Zusamme...

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